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Heute schon Schwein gehabt?
Fleischfasten ist eine kirchliche Tradition. Manche Menschen entscheiden sich, in ihrem Leben gänzlich auf tierische Produkte zu verzichten. Veganerin Birgitta Wetzl und der Landwirt in der Schweinezucht Josef Kaiser erläutern ihre Perspektiven zum Thema Ernährung.
Lebenslang Fleisch fasten?
In der Fastenzeit auf Fleisch zu verzichten hat eine lange kirchliche Tradition. Manche Menschen fällen die Entscheidung, sich gänzlich ohne Fleisch, also vegetarisch, oder gänzlich ohne tierische Produkte, also vegan, zu ernähren. Auch unter ExpertInnen sind die Meinungen gespalten, welche Ernährung für den Menschen und auch für die Umwelt und das Klima besonders gut und gesund ist. Ausgewogenheit ist das Stichwort für alle. Um ausgewogen zu berichten, haben wir einen Landwirt in der Schweinezucht, Josef Kaiser, und die überzeugte Veganerin Birgitta Wetzl eingeladen, ihre Perspektiven zum Thema Ernährung mit uns zu teilen.
Ein Schwein besteht nicht nur aus Karree und Filet.
Josef Kaiser
ist Landwirt in Weitendorf mit Schweinezucht und Ackerbau, Bauernbundobmann Wildon und Bezirksbauernbundobmann Leibnitz.
Ich würde mich als leidenschaftlichen „Mischköstler“ bezeichnen: Ich esse gerne Obst, Gemüse, Kartoffeln, Gebäck und natürlich auch tierische Produkte, wie Fleisch, Eier und Milch. Ich denke, wenn man all diese Lebensmittel in einem ausgewogenen Verhältnis zu sich nimmt, erzielt man eine optimale Versorgung mit allen wichtigen Nährstoffen – kombiniert mit höchstem Genuss!
Versuche, den Fleischverzehr als generell schlecht für die Umwelt, das Klima und die Gesundheit darzustellen, finde ich entbehrlich. Unsere Nutztiere werden von den österreichischen Bäuerinnen und Bauern gut gehalten und bekommen überwiegend heimische, selbsterzeugte Futtermittel. Importe von Eiweißfuttermitteln aus Übersee sind seit Jahren rückläufig, somit ist das Argument, dass für die heimische Tierhaltung Regenwald abgeholzt wird, nicht zulässig.
Mit gutem Gewissen genießen
60% der landwirtschaftlich genutzten Flächen in Österreich sind Grünland und Weiden und können nur über den Wiederkäuermagen für uns als Nahrungsmittel nutzbar gemacht werden. Auch der organische Dünger aus der Tierhaltung spielt für den Humuserhalt der Böden eine unersetzliche Rolle – nicht umsonst heißt es: „Wo Mistus, da Christus.“ Die oft empfohlene Reduktion des Fleischkonsums auf den Sonntagsbraten sehe ich kritisch. Ein Schwein besteht nicht nur aus Karree und Filet. „From Nose to Tail“, also vom Rüssel bis zum Schwanz, sollte meiner Meinung nach alles verwertet werden. Also muss es unter der Woche auch einmal Breinwurst, Sulze und Schmalzbrot geben. In der Fastenzeit auf Fleisch verzichten ja, aber dann das köstliche Osterfleisch mit gutem Gewissen genießen. Mahlzeit!
Ich möchte nicht, dass für meinen Genuss ein Tier sterben muss.
Birgitta Wetzl
ist ausgebildete Opernsängerin und Gesangspädagogin aus der Südsteiermark und lebt seit
einigen Jahren als Veganerin.
Auch heute noch ist eine Veganerin am Land eine Seltenheit. Unverständnis, Misstrauen und Vorverurteilungen erlebe ich ungefragt immer wieder. Oft muss ich mich rechtfertigen, obwohl ich es nur für mich mache und sonst jedem das Seine lasse. Warum ist das so? Warum tue ich mir das an?
Schon als Kind hatte ich großen Respekt und Hochachtung vor allem, was in der Natur wächst und gedeiht. Am Land aufgewachsen, lernte ich, dass Nutztierhaltung notwendig sei, um die Menschheit zu ernähren. Aber ist das so? Ernährt die Nutztierhaltung wirklich die ganze Menschheit? Oder entfällt nicht der größte Teil des Fleischkonsums nur auf die Industrieländer, und in den so genannten armen Ländern ist Fleisch kaum leistbar?
Vegan ausgewogen ernähren
Für mich ist es nicht notwendig, aus gesundheitlichen Gründen Tierprodukte zu mir zu nehmen. Meine Blutwerte sind gut, und das Einzige, was meinem Körper durch die vegane Ernährung fehlt, ist Vitamin B12, das ich in Kapselform, so wie andere Menschen z. B. Vitamin C, zu mir nehme. Natürlich ist eine ausgewogene, abwechslungsreiche Ernährung wichtig, um keine Mangelerscheinungen zu haben – auch bei Fleischessern. Vegan zu sein heißt auch nicht automatisch, gesund zu leben! Jeden Tag Pommes und Pizza ohne Käse ist genauso wenig gesund wie ständig Fleisch, Wurst und Milch zu sich zu nehmen. Ich für mich möchte nicht, dass nur des Genusses und der Kultur und Tradition wegen ein Tier sterben muss. Ich für mich möchte nicht, dass Tiere ausgebeutet werden und leiden müssen. Ich für mich! Jede/r, wie er/sie möchte!
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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