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Erzähl mir doch (k)ein Märchen!

Weil Geschichten uns berühren, und besonders jene, die wir erzählt bekommen, haben wir nachgefragt, wie Märchen und „das Böse“ zusammengehen. Märchendichter Folke Tegetthoff und Psychologe Dr. Philip Streit antworten. Mit Gewinnmöglichkeit!

Gewinnen Sie!

Aus Anlass des 36. Austrian International Storytelling Festival blicken ein Psychotherapeut und ein Märchendichter auf „das Böse“ in Märchen. Während Philip Streit alten Märchen etwas abgewinnen kann, ist Folke Tegetthoff überzeugt, dass es an uns liegt, den „guten Geschichten“ in der Welt mehr Aufmerksamkeit zu widmen als den schlechten. Sie würden gern Ihre Aufmerksamkeit Folke Tegetthoff live widmen? Wir verlosen 3x2 Karten für den Erzählabend zu seinem neuen Buch „Der Augenblick der Kinder“ am 24. Mai, 19–20.30 Uhr, im Literaturhaus Graz. Schreiben Sie uns bis 5. Mai an Sonntagsblatt, Bischofplatz 2, 8010 Graz, oder redaktion@sonntagsblatt.at (Kennwort „Tegetthoff“).

Märchen bieten stets Lösungsvorschläge, das Gute über das Böse siegen zu lassen

Folke Tegetthoff

Erzähler & Märchendichter
www.storytellingfestival.at
www.augenblickderkinder.com

Ich möchte, bevor ich auf die Frage eingehe, wie man im Märchen mit dem Bösen/Schlechten umgeht, etwas klarstellen, was insbesondere durch die Medien einen extremen Einfluss auf unser Bewusstsein gewonnen hat. Noch nie in der Menschheitsgeschichte war das „Böse/Schlechte“ mit dem „Guten/Gerechten“ so in Balance, noch nie ging es der Mehrheit der Menschen besser – und noch nie waren die Menschen unzufriedener als heute. Nun werden viele aufschreien und dies empört zurückweisen, wie man angesichts von Hungerkrisen, Gewalt, Unterdrückung und Hass so etwas behaupten kann. Und doch: Betrachtet man die Menschheitsgeschichte in ihrer Gesamtheit, die Jahrtausende Jahre währenden Ungerechtigkeiten, so ist die Welt im Laufe ihrer Entwicklung eindeutig eine bessere geworden.

Das Märchen hält immer Lösungen bereit
Der große Unterschied: Wir erfahren heute von allem „Bösen und Schlechten“ in „real time“, direkt auf unsere Handys gebracht als „Breaking News“: Wenn in einem kleinen Dorf in den USA jemand erschossen wird, lesen wir dies unmittelbar, während wir an einem Cappuccino nippen, und sehen es als Teil unserer – und das empfinde ich als „böse und schlecht“ – Unterhaltungskultur. Die Medien bespielen mit Vorliebe das „Böse und Schlechte“, weil sie uns damit unterhalten wollen – und wir spielen mit. Und das Märchen? Wenn es vom „Bösen und Schlechten“ erzählt, hält es immer einen Lösungsvorschlag bereit, um das „GUTE“ siegen zu lassen. Wir alle haben es in der Hand, uns diesem „Guten“ zuzuwenden, es in der Schöpfung, der Natur, in einem Gegenüber zu suchen und – es liegt an und in uns – es zu finden!

Alte Märchen zeigen, dass das Böse sich schlussendlich nicht auszahlt.

Dr. Philip Streit

Klinischer und Gesundheitspsychologe, Psychotherapeut (Systemische Familientherapie), www.drphilipstreit.com

Zunächst gilt es festzuhalten: Kein Mensch ist von Grund auf gut oder böse. Wir sind darauf angelegt zu überleben, deswegen erleben wir auch Ängste, die uns Kräfte verleihen, um Herausforderungen zu begegnen. Jeder Mensch ist jedoch auch in der Lage, etwas Böses tun.
Was hat das nun mit Märchen zu tun? Märchen sind grundsätzlich Texte, die wunderbare Begebenheiten mit überraschenden Wendungen in fantasievollen Bildern beschreiben. Gerade alte Märchen aber stehen in der aktuellen Erziehungsdiskussion nicht gerade hoch im Kurs – oder doch? Sie seien zu grausam und würden die Aspekte des Bösen und der Strafe betonen. Ganz oben auf dieser Liste stehen die Märchen der Gebrüder Grimm und der Struwwelpeter. Diese Märchen eignen sich nicht für kleine Kinder, da diese die Bedeutung mancher Handlungen nicht verstehen.

Nehmen Sie sich Zeit beim Märchen-Vorlesen
Erst wenn die Fähigkeiten zu Reflexion und Auseinandersetzung gegeben sind (ca. ab 5 Jahren), können diese Märchen dazu eingesetzt werden, gelingende Beziehungen zu fördern. Die Grimm’schen Märchen sind Gleichnisse für tugendhaftes Verhalten. Da geht es etwa um den Mut des Rotkäppchens oder die Kreativität von Hänsel und Gretel. Und sie eignen sich hervorragend dafür, um zu erkennen, dass das Böse – wie auch immer es in der Welt entsteht – sich schlussendlich nicht auszahlt und zum Scheitern verurteilt ist.
Zum Schluss noch ein Tipp: Wenn Sie Märchen vorlesen, nehmen Sie sich Zeit. Erklären nicht Sie den Sinn des Märchens, sondern lassen Sie es das Kind erklären. So können auch diese alten Märchen ein wertvoller Beitrag zu gelingender Erziehung sein.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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