Kunst der Verführung
Überraschende Glaubenswerbungen
DE PROPAGANDA FIDE.
Überraschende Glaubenswerbungen der Katholischen Kirche – der Ausstellungsbeitrag des KULTUM im steirischen herbst – fragt, wie man das Begehren der Religion, des Glaubens und der Kirche als öffentliches Werben um Zustimmung verhandeln kann.
Gemeinsam mit historischen Werken vor Ort und mit solchen zeitgenössischer Kunst aus der Sammlung für Religion in der Gegenwartskunst im KULTUM (Nives Widauer, G.R.A.M., Marianne Maderna, Lukas Pusch, Ewa Harabasz), mit aktuellen Beiträgen (zweintopf, Hannes Priesch) und mit Video-Gesprächen mit Persönlichkeiten, die Öffentlichkeitsauftritte der letzten 70 Jahre möglich gemacht haben (Josef Wilhelm, Harald Baloch, Heinrich Schnuderl, Fritz Haring, Herbert Beiglböck, Georg Plank, Thomas Bäckenberger) werden Plakate der „Katholischen Kirche der Steiermark“ aus den letzten 70 Jahren gezeigt (Karl Neubacher, Richard Kriesche, Alois Neuhold, Christian Bretter, büro bauer sowie Kampagnen der Diözese Graz-Seckau und der Caritas), die von Selbstkritik, vom Mut zur Kirchenreform und einer Einmischung in die Gesellschaft erzählen. Die vielfach stecken blieben! Und deshalb zunehmend historisch werden. Weshalb sie gezeigt werden müssen.
Propagandakunst?
Die Ausstellung ist Teil eines Großprojekts, das 6 Ausstelllungen von 8 Institutionen unter dem Titel „Kunst der Verführung“ umfasst.
Propagandakunst ist an sich peinlich, ja verdächtig. Sie will etwas vermitteln, was eigentlich nicht stimmt. Der Ausstellungstitel erinnert also an Doppelbödigkeit, wenn es um religiöse Werbung geht: Sichtbar ist diese Janusköpfigkeit in der Allianz von Messianismus und Macht, von moralischen Appellen und Scheinheiligkeit, von Religion und Nationalismus, Glaube und Irrationalität, von Betteln und Reichtum und so fort. Die Ausstellung
„DE PROPAGANDA FIDE – Überraschende Glaubenwerbungen der Katholischen Kirche“ zeigt in Plakaten sichtbar werdende massive Reibungsflächen, die sie zur Vorhut für spätere kirchliche (und gesellschaftliche) Großkonflikte machen. Auch wenn sie jetzt musealisiert erscheinen – gerade darin wird die Ausstellung für mögliche Zukunftsperspektiven aktuell: Denn wie auch viele andere Sektoren der Gesellschaft stellt sich derzeit auch der kirchliche und religiöse völlig neu auf.
Johannes Rauchenberger
IM ORIGINALTON
Kunst der Verführung“ – so war meine Spontanreaktion zu unserem insgesamt sechs Ausstellungen umfassenden Projekt zu „Kunst und Werbung“ – ist nicht einfach eine Frage von Werbung, es ist vor allem eine barocke Idee. Gerade da setzte man auf die Überzeugungskraft durch Bilder. Etwas augenzwinkernd ist es in diesem Großkonzert von Ausstellungen die Verführungskunst durch Bilder für Glaubensdinge, die wir mit unserer corporate identity als Museum für Gegenwartskunst und Religion dazustellen könnten: Schließlich ist das Kulturzentrum bei den Minoriten ja auch hinter der markanten Silhouette der Mariahilferkirche und im großen Komplex eines alten Klosters untergebracht. Der Subtext ist eine „Macht des Ortes“, wie Harald Seuter, einer der beiden Gründer des Kulturzentrums, das gerne nannte. Es ist eine Schwelle in eine andere Welt – architektonisch, geistig, spirituell. Heute nennt man es einfach Flair.
Aber wie ist das alles entstanden? Im Barock war man nicht zimperlich, was die Propaganda fidei durch Bilder angeht … Wie auch immer: Ein Teil der Folie der „Kunst der Verführung“ ist auch einem kunsthistorischen Nachholbedarf geschuldet – die Renovierung des Minoritensaals und seiner Fresken ist noch jung, und auch „Mariahilf“ ist mit seiner Fassade und seinem berühmten Bild einer näheren künstlerischen (und theologischen) Betrachtung wert.
Und andererseits ist es aber auch zeitdiagnostische Schärfe, die die eigentliche Ausstellung begleitet: Denn nach Glaubenspropaganda ist uns allen in einer kirchlichen und gesellschaftlichen Phase extremer Krisen, der Erschöpfung, des Auseinanderdriftens bekanntlich nicht zumute. Was gerade da innovative Bilder
leisten könnten, ist die Fragestellung der Ausstellung – und deren Fallhöhe!
Infobox:
KULTUM, Mariahilferplatz 3, Graz
Info: www.kultum.at
Ausstellungsdauer: 22.9.2022–14.1.2023
Öffnungszeiten:
DI – SA, 11–17 Uhr, SO 14–17 Uhr!
0316/711133-31 oder tickets@kultum.at
Eintritt: 5 EUR, Kinder u. Jugendliche bis 18 frei.
Lange Nacht der Museen, 1.10.2022
18 Uhr Live-Einstieg in ORF 2 aus dem KULTUM | 19 Uhr Gespräch mit Josef Wilhelm | 20 Uhr Gespräch mit Michael Neubacher | 21 Uhr Kuratorenführung mit Johannes Rauchenberger.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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