Es fordert heraus
Das Kreuz und die Diskussion um Freiheit der Kunst, um Kunst und Kirche: Aus dem Vorwort von Bischof Kapellari in der Dokumentation „Weg-Kreuz“.
Auseinandersetzungen betreffend den Umgang mit dem Kreuz als dem zentralen Symbol der Christenheit gab es in den letzten Jahren seltener bezogen auf bildende Kunst als bezogen auf die Präsenz des Kreuzes im öffentlichen Raum der heutigen pluralistischen Gesellschaft. Diesbezüglich gab es politische Debatten betreffend das Kreuz in Schulen, Krankenhäusern und sogar auf Berggipfeln, nicht selten auch verbunden mit Religionskritik, vor allem als Kritik an der katholischen Kirche und ihren nicht zu bestreitenden Verfehlungen im Lauf einer fast 2000-jährigen Geschichte, wobei freilich das Positive oft ausgeblendet war.
Gegen diesen Trend stand und steht aber vieles im Schaffen von Hermann Nitsch, und es gab auch die erregte Debatte über die Skulptur „Der gekreuzigte Frosch“ von Martin Kippenberger. Bezüglich Hermann Nitsch bezog sich meine Kritik auf den, wie ich sagte, blasphemisch-pornographischen Umgang mit der Gestalt Jesu Christi in seinem Libretto „Die Eroberung von Jerusalem“. Bei dieser Kritik werde ich immer verbleiben. Bei späteren Begegnungen mit diesem Künstler haben wir aber unsere Positionen im Ganzen differenziert und können nun unaufgeregt und freundlich miteinander umgehen.
Hingegen hat der deutsche „Multiartist“ Martin Kippenberger, der nach einem selbstzerstörerischen Leben 1997 mit 44 Jahren verstorben ist und in Jennersdorf begraben liegt, mit seiner Skulptur „Der gekreuzigte Frosch“ ärger und erfolgreicher als je provoziert … Viele Menschen sahen darin eine Verhöhnung des gekreuzigten Christus und setzten sich öffentlich zur Wehr. Ein tieferer Blick auf Kippenbergers Leben und Sterben konnte aber wahrnehmen, dass Kippenberger mit diesem Frosch vor allem sich selbst karikiert hatte als Künstler am Kreuz einer erbarmenswürdigen Selbstentfremdung.
Die Auseinandersetzungen mit Hermann Nitsch und Martin Kippenberger sind nur zwei Beispiele für viele andere Konflikte, die Grenzen künstlerischer Freiheit betreffend. Ein systematischer Abbau von Tabus bringt den dafür Tätigen einen Gewinn an Freiheit. Er öffnet aber auch Grenzen, die vor einem Weg in tiefe Inhumanität schützen können. Widerstand gegen solche Grenzöffnungen gibt es nicht nur seitens der Kirchen. Gerade eine große Gemeinschaft wie die katholische Kirche im deutschen Sprachraum braucht oder bräuchte aber im Ganzen ein hohes Maß an Einfühlung und Reflexion, um auch eigene und durchaus begründete Affekte gegen Grenzüberschreitungen seitens der Kunst selbstkritisch klären und läutern zu können …
1994 sagte Arnulf Rainer über die oft schwierige Beziehung zwischen Kirche und neuer Kunst: „Kunst und Kirche kommen nicht mehr zusammen; es ist gut, wenn sie sich von ferne freundlich grüßen.“ Bei einem Festvortrag in Linz 2006 habe ich dieses Wort relativiert: „Leben und Tod, Glück und tragische Vergeblichkeit, Frieden und Krieg, Schönheit und Schrecken – diese großen Themen des Menschenseins waren und bleiben in jeder Epoche Herausforderungen sowohl an die Kunst und an die Religion.“
Diese Herausforderung wird Kunst und Religion immer wieder zu Gesprächen zusammenführen.
Broschüre Weg-Kreuz
Dokumentation zu einer virtuellen Ausstellung im Steiermarkhof.
Nicht live, aber virtuell eröffnet wurde die Ausstellung „Weg-Kreuz“ im Steiermarkhof in der Ekkehard-Hauer-Straße in Graz: www.steiermarkhof.at/hofgalerie/virtuelle-ausstellungen/
Unter dieser Adresse gibt es einen informativen Rundgang zu 40 Werken, in denen 22 Gegenwartskünstlerinnen und -künstler mit unterschiedlichen Techniken einen künstlerischen Zugang zum Thema Kreuz präsentieren. Die Exponate spiegeln jeweils den eigenen Weg ihrer Urheber zum Thema Kreuz, aber auch zur Frage von Leben und Tod.
Erschienen ist dazu auch eine Dokumentation, die die Werke darstellt, eingeleitet von richtungweisenden Vorworten. Zu den Kunstschaffenden der Ausstellung gehören unter vielen anderen Arnulf Rainer, Günter Brus, Otto Mühl, Hermann Nitsch, Marta Wagnest oder Gerald Brettschuh.
Das Kreuz ist zwar das zentrale Symbol, das Erkennungs- und Bekenntniszeichen der Christen, geht religionsgeschichtlich aber darüber hinaus, schreibt Bischof em. Egon Kapellari in seinem Vorwort (siehe nebenstehender Beitrag). Für den Christen gehören Karfreitag und Ostern, das Kreuz als Marterholz und das verklärte Kreuz immer zusammen, betont Bischof Kapellari. Laut der Mystikerin Simone Weil müsse man Bilder so lange betrachten, „bis das Licht hervorbricht“.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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