Passionskonzerte
Das ist Verkündigung pur
Passionskonzerte haben in der Fastenzeit Tradition. Gleich drei Bach-Passionen erlebt(e) Graz heuer in der Stadtpfarrkirche,
im Dom und in Mariahilf.
Die Passion Jesu ist vermutlich die am häufigsten erzählte Geschichte der Menschheit. Bei mehreren Passionskonzerten in Graz wird diese Geschichte jetzt in der Fastenzeit lebendig. So wurde bereits unter der Leitung von Andrea Fournier in der Stadtpfarrkirche die Johannespassion von Johann Sebastian Bach zur Aufführung gebracht. Domkapellmeister Josef M. Doeller plant für den 6. April als letztes Konzert vor der Renovierung des Domes Bachs Matthäuspassion, und Herbert Bolterauer wird am 14. April in der Mariahilferkirche ebenfalls die Johannespassion zum Erklingen bringen. Das Sonntagsblatt sprach mit den drei Kirchenmusikern über die künstlerische und spirituelle Bedeutung dieser Werke.
Herbert Bolterauer bezeichnet die Passionen von Bach als Höhepunkt der Musikgeschichte. „Diese Geschichte packt wirklich alle“, sagt Andrea Fournier, auch Menschen, die nicht gläubig sind. Das merke sie immer wieder an den Rückmeldungen, die sie erhalte. Auch für sie persönlich war die Johannespassion „mein einschneidendes Chorerlebnis“. Nun habe sie den Wunsch, das anderen weiterzugeben. Doeller bezeichnet die Passionserzählung als Kernstück des Evangeliums: „Die Begebenheiten als solche, dieser vermeintliche Justizirrtum, die Lenkbarkeit der Massen, die Emotionen von Menschen, die trauernde, lyrische Betrachtung, das sind viele wunderschöne Mosaiksteine, die sich zu einem ganzen Tableau zusammenfügen, das zu Recht die Menschen zutiefst berührt und beeindruckt.“ Da sei „alles drinnen, was unseren Glauben ausmacht“, ergänzt Fournier.
Die Musik könne diese Geschichte noch wesentlich bereichern, weil sie das Unterbewusstsein in einer Art anspreche, wie es der Text allein nie könne, sagt Bolterauer. Doeller fügt hinzu: „Sie öffnet ganz neue Dimensionen und kann die Geschichte in viel tiefere Schichten der Persönlichkeit und des Herzens tragen als das bloß gehörte Wort.“
Das Einzigartige an den Interpretationen Bachs liegt für Bolterauer in der Ausdeutung des Textes, der Verwendung von musikalischen Kunstgriffen, der Tiefe der Interpretation. Fournier entdeckt darin „eine Dramatik, die man sonst in der Kirchenmusik selten findet“. Bach habe „ein wahnsinniges theologisches Hintergrundwissen“ gehabt, erklärt Josef M. Doeller. Er habe verschlüsselte Hinweise und Deutungshilfen in seine Musik verpackt oder mit der Tonfolge B-A-C-H einzelne Aussagen gleichsam als sein persönliches Bekenntnis „unterschrieben“.
Das Besondere an der Johannespassion sei, dass sie schon die Auferstehung vorwegnehme. So hat Andrea Fournier während der Aufführung bemerkt, dass an der Stelle „erwecke mich vom Tod …“ die Chorsänger ganz verklärt waren. Dagegen stehe – so erklärt Doeller – bei der Matthäuspassion „der Leidende, der menschlichere Jesus im Vordergrund“. Dadurch könne der Hörer Zuwendung erfahren, „weil Jesus einer von uns ist, ein Mensch wie wir, der leidet und dem man das Leiden anmerkt“. Das komme vor allem in den Chorälen zum Ausdruck, die den Zuhörern bekannt sind, die sie auch mitsingen können.
In der Passionsmusik sei „eine tiefe Spiritualität enthalten, etwas, das in einer Oper nicht drin ist“, sind sich die drei Kirchenmusiker einig. Das sei „Verkündigung pur“, so Doeller, auch für Menschen, die sonst wenig Berührungspunkte zum Glauben haben. Und: „Wenn wir Krücken sein können für jemanden, der sich schwertut, dann können wir uns freuen.“
Alfred Jokesch
Autor:Ingrid Hohl aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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