„Da lausani Kriag!“
Rochus Kohlbach. Seine literarischen Anfänge vor hundert Jahren.
Der Ausdruck „fechten gehen“ meint im steirischen Dialekt das Sammeln von Spenden für einen wohltätigen Zweck. Vom Fechtengehen in einer Zeit des Mangels und der Not erzählt ein Theaterstück, das vor hundert Jahren entstand und damals von Laiengruppen gerne aufgeführt wurde. Es heißt „Die neugn Glockn“, ein „ländliches Schauspiel nach Motiven der Gegenwart“.
Sein Verfasser: ein junger steirischer Kaplan namens Rochus Kohlbach, nachmals der letzte Chefredakteur des „Grazer Volksblatts“, 1938 unerwünschte Person, während der NS-Zeit Pfarrer der entlegenen Gebirgspfarre St. Martin am Wöllmißberg, nach dem Krieg zum Grazer Dompfarrer berufen, in seinen späten Jahren Verfasser materialreicher, prächtig bebilderter kunsthistorischer Monographien über die steirischen Baumeister und Bildhauer, die gotischen und die barocken Kirchen von Graz: Bücher, die auch heute noch als Standardwerke gelten.
„Die neugn Glockn“, uraufgeführt 1921 in Weiz, im Rahmen einer Liebhaberaufführung zugunsten des dortigen Glockenfonds, gedruckt im Jahr darauf, sind Kohlbachs literarisches Debüt, ein geglückter Einstieg in die Welt der heimischen Literatur, in der er sich rasch etabliert.
Der Ort der Handlung: ein Bauernhof, irgendwo in der Steiermark; die Zeit: ein klirrend kalter Wintertag bald nach dem großen Krieg, von dem man noch nicht weiß, dass man ihn eines Tages den „Ersten“ nennen wird. „A Kreuz is wuhl noch den Kriag“, klagt die Bäurin. „Übroll die Luckn und die Löcha. Ban Gwond, ba die Schuach, ban Essn. Und ba die Leut a. I wullt nix sogn wegn an Gwondsochn, dos fahlt, wonns a nou sa hoat zan grodn is. Oba oan Louch is in Haus, dos is neama zan vamochn. Oans geht ma o, und dos konn ma neamb zruckbringan, dos is mei Bua, da Hansl. Den hot da Kriag furttrogn und kimb neama zruck, neama zruck…“ Und der Bauer stimmt in ihre Klage ein: „Da Kriag, da lausani Kriag!“
In dieses Haus der Trauer treten nun zwei Männer, der Bürgermeister und der Kirchenpropst, um für die neuen Glocken zu sammeln. Die alten hatte man im Krieg vom Kirchturm genommen, um sie einzuschmelzen wie so viele andere, die unter patriotischem Getöse zu Kanonen wurden.
Alle am Hof geben etwas, der Knecht und die Dirn, die Bäurin und die Ahnlmutter. Der Bauer aber, der nicht vergessen kann, dass dieselben Leute, die nun bitten kommen, noch vor nicht allzu langer Zeit kraft ihres Amtes gefordert haben, weist den Spendensammlern die Tür: „In mein Haus hob‘s nix z suachn!“ Erst der Opfergang des letzten ihm verbliebenen Kindes, der kleinen Veronika, bringt auf tragische Weise die große Wende, führt schließlich eine Läuterung herbei.
Das erinnert stark an ein anderes Stück jener Jahre: das „Apostelspiel“ des heute so viel geschmähten Max Mell. Auch dort ist es der unerschütterliche Glaube eines Kindes, der alle Zwietracht überwindet, alle Verhärtungen löst.
Anders als das „Apostelspiel“ ist Kohlbachs Stück nicht in gereimten Versen abgefasst, sondern in Prosa, auf Stoasteirisch. Die Sprache der Bauern ist dem Verfasser, man merkt es, bestens vertraut, stammte er doch selbst aus einer kinderreichen bäuerlichen Familie im weststeirischen Hirschegg, vom Bauernhof vulgo Schmiedjodl, den heute Verwandte von ihm bewohnen und bewirtschaften.
Als Seelsorger ist Rochus Kohlbach unvergessen, zumal in seiner engeren Heimat; seine kunsthistorischen Arbeiten werden oft zitiert. Der Dichter aber, der er zeitlebens war, wäre neu zu entdecken.
CHRISTIAN TEISSL
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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