Betörend himmlisch

Beim Osterfestival PSALM am 15. April in der Grazer Helmut-List-Halle begeisterten Werke der heiligen Hildegard von Bingen.

Es war ein Eintauchen in eine andere Welt und andere Zeit, als die Frauen von Ars Choralis Coeln in der Grazer Helmut-List-Halle ihre Stimmen erhoben: „Hildegard & Harmony“ lautete das Motto des Konzerts, das Werke der hl. Hildegard von Bingen (1098–1178) brachte: „Wir singen einstimmig“, erklärte Leiterin Maria Jonas vorab. Aber durch reiche Obertöne und mittelalterliche Begleitinstrumente wie Flöte, Monochord, Portativ, Fidel und Glocken entstand eine zauberhafte Klangfülle und geradezu mystische Atmosphäre, in der die Zeit stehen zu bleiben schien.
„Wenn diese Musik einst auch Nonnen gesungen haben“, so Jonas, „ist es doch eine sehr körperliche Musik und eine sehr sinnliche Erfahrung, diese Lieder zu singen.“ Umgekehrt könne es „auch beim Publikum passieren, dass die Musik so eindringt in den Körper, dass man denkt, man wäre in himmlischen Sphären – die sind natürlich ein bisschen zu hoch, und da wird man fast ein wenig schwindlig“.

Aus dem Schlaf der Gottvergessenheit
Die Benediktinerin, Äbtissin und Kirchenlehrerin Hildegard von Bingen sah es einst als ihre Berufung an, ihre Zeitgenossen aus ihrem „Schlaf der Gottvergessenheit“ wachzurütteln. Als große Natur- und Heilkundlerin machte sie zudem unermüdlich auf die untrennbare Verbindung von Mensch, Natur, Kosmos und Gott aufmerksam.
In oft weiten, ornamentreichen Melodie-bögen besingt sie die göttliche Liebe („Karitas“), die Gottesmutter Maria („Ave maris stella“), die Kraft der Ewigkeit („O vis eternitatis“) und die „Grünkraft“, die von Gott stammt und alles durchdringt („Viriditas digiti Dei“). Hildegard war überzeugt, dass auch die Harmonie der Musik vom Himmel kommt und Geist und Körper gesund machen kann.

Meditativ und tänzerisch
Das intensiv lauschende Publikum des Konzerts „Hildegard & Harmony“ dürfte das gespürt haben. Denn es spendete den Sängerinnen und Musikerinnen aus Köln, die – in lange, schwarze Kleider gehüllt – mit ihren klaren Stimmen und meditativen wie tänzerischen Weisen begeisterten, lang anhaltenden Applaus. Sie zeigten damit, dass Hildegards Musik und Gedanken auch nach fast 900 Jahren nichts an Wirkkraft eingebüßt haben.

Gertraud Schaller-Pressler

Ars Choralis Coeln
Klösterliche Musikhandschriften
Das Frauenensemble Ars Choralis Coeln rund um Maria Jonas stellt die Erforschung und Aufführung von Musikhandschriften aus Frauenklöstern und Musik von Frauen im Mittelalter in den Mittelpunkt. Das Repertoire konzentriert sich auf die Musik von Hildegard von Bingen. Aber sie schöpfen auch aus dem Reichtum an Handschriften der Bibliothek des Kölner Doms.

Wer in diese Klangwelt eintauchen möchte, kann dies mit der CD „Hildegard von Bingen. Ordo virtutum. Die Ordnung der Kräfte“ tun. (Ars Choralis Coeln – Ensemble für mittelalterliche Musik.
Maria Jonas, Leitung). Im Musikhandel erhältlich.

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SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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