Mutworte - Ruth Zenkert
Wo drücke ich mich vor der Entscheidung?

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Die Schlitten und die Jause waren ins Auto gepackt, nun war alles fertig für den Ausflug. Die fröhlichen Kinder warteten vor dem Sozialzentrum mit Lidia, der Leiterin. Und da sah ich unter den Kindern Bogdan. Ich nahm Lidia zur Seite und fragte, warum er hier sei. Jeder wusste, dass er bei Nachbarn eingebrochen war und gestohlen hatte. Außerdem hatte er oft in der Schule gefehlt.
Lidia schaute mich an wie ein scheues Reh. „Es war so schwer für mich, Nein zu sagen. Ich will nicht die Böse sein, die ihm etwas verbietet.“ Lidia drückte sich vor einer schweren Entscheidung.
Die Schlange versprach Adam und Eva, Gott gleich zu werden. Doch anders klingt, was Gott in der Folge sagt: „Siehe, der Mensch ist wie einer von uns geworden, dass er Gut und Böse erkennt“ (Gen 3,22a). Das ist eine Ironie angesichts der Tatsachen. Der Mensch ist aus dem Garten Eden vertrieben, er muss sich verstecken und hat Angst vor der Wahrheit. Dass er Gut und Böse erkennen kann, ist längst nicht das, was die Schlange versprochen hat.
Nicht mit göttlicher Klarheit, sondern mit menschlichen Zweifeln ringt der Erwachsene um die Unterscheidung. Die quälenden Fragen, was zu tun sei, die Dunkelheit, sie sind der Preis für die gewonnene Selbstständigkeit. Vor der Übertretung des einen göttlichen Verbots war der Mensch unbefangen wie ein Kind, jetzt ist er erwachsen und trägt die Last der Verantwortung. – Ich wünsche euch den Mut zur Entscheidung.

Ruth Zenkert
ist Mitarbeiterin der von P. Georg Sporschil, SJ., gegründeten sozialen Werke in Rumänien. Aus: lijah.ro/bimail.

Autor:

Ingrid Hohl aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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