Mutworte - Ruth Zenkert
Wer ist fremd?
„In unserer Straße wohnt kein Zigeuner“, rühmten sich die Rumänen in Hosman. Es ist nicht so lange her, dass in dieser Straße auch kein „Rumäne“ wohnen durfte. Denn Holzmengen, wie Hosman auf Deutsch heißt, war in der Hand der Siebenbürger Sachsen. Sie schauten auf „die Rumänen“ herunter. Wenn ein Sachse eine rumänische Freundin hatte, war dies ein Skandal.
Inzwischen sind die Sachsen fort, Rumänen wohnen in ihren Häusern. Im letzten Jahr bot ein Sachse sein leerstehendes Haus in der rumänischen Straße zum Verkauf an. Damit sich kein Zigeuner dort ansiedelte, legten die Nachbarn ihre Ersparnisse zusammen, um das Haus zu kaufen, damit die Straße „zigeunerfrei“ bleibe. Das nützte aber nichts, es zogen doch Roma in die Straße. Denn unser Verein erwarb dort ein Haus für zwei Familien. Beide Väter arbeiten in unserer Tischlerei. Sicher ist es manchmal etwas lauter, weil jetzt wieder viele Kinder herumspringen. Doch auf der Straße liegt weder Müll noch wird jemand belästigt.
Eines Tages kam eine neunzigjährige Rumänin aufgeregt zu mir. Sie wage sich nicht mehr aus dem Haus und verriegle nachts Türen und Fenster. Sie habe keine ruhige Minute mehr, mit ihrem schwachen Herz halte sie das nicht aus.
Deutsche, Rumänen und Roma lebten jahrhundertelang im selben Dorf, allerdings in verschiedenen Straßen. Die Frage ist, wie die Volksgruppen einander sehen. Von oben herab oder auf gleicher Augenhöhe, wie Brüder und Schwestern mit unterschiedlichem Teint?
Ruth Zenkert
ist Mitarbeiterin der von P. Georg Sporschil, SJ., gegründeten sozialen Werke in Rumänien.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.