Positionen - Leopold Neuhold
Was geht und was nicht mehr geht

Am Stammtisch schildern die dort Versammelten, welche Schwierigkeiten ihnen das Alter bereitet. Der eine, in seiner Jugend ein hervorragender Fußballspieler, hat nun Schwierigkeiten, eine Treppe emporzusteigen. Dem anderen, einem früher ausgezeichneten Tänzer, wird nun schon nach einer Umdrehung schwindlig. Der dritte hatte Augen wie ein Luchs, jetzt kann er die Zeitung nicht mehr ohne Brille lesen.

Der vierte wendet sich gegen diese Klagen: „Was ist los mit euch, ich bin noch gleich stark wie vor 40 Jahren!“ Die anderen sticheln: „Was willst du, du hast keine Haare mehr, gehst gekrümmt und willst gleich stark sein wie früher?“ Der Provozierte klärt auf: „Vor 40 Jahren schaffte ich es nicht, den großen Bücherschrank in die Ecke zu schieben. Heute versuchte ich es wieder, und ich schaffte es wieder nicht!“

Die Frage bei Vergleichen ist immer, worüber ich den Vergleich anstelle. Was früher ging und was heute nicht mehr geht, das führt meist zu Klagen über den Verfall. Was früher nicht ging und heute auch nicht geht, damit kann man sich über Abwärtsentwicklungen hinwegschwindeln, zugleich aber auch die Entwicklung realistischer beurteilen. Sollten wir aber nicht auch eine Gegenüberstellung von dem, was früher nicht möglich war, mit dem, was heute möglich ist, vornehmen?

Mit den Vergleichen auf den drei Ebenen kann eine realistische Hoffnung entwickelt werden. Die brauchen wir heute, und die Kirche kann dazu einen wesentlichen Beitrag leisten, weil sie zeigen kann, dass nicht alles auf uns ankommt.

Leopold Neuhold

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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