Mutworte - Anna Schreiber
Vielleicht ist gerade nichts zu tun

Foto: privat

„Seit einigen Wochen fühle ich mich ausgelaugt und mutlos, wenn ich an die Zukunft denke. Zudem nervt mich mein Mann total. Wir passen nicht mehr zusammen. Wo fange ich denn da jetzt an?“
Ich möchte Ihnen einen Gedanken ans Herz legen, der sich auf das große Ganze bezieht: Es ist eine großartige Kompetenz, zu entscheiden und zu handeln. Nur: Es muss auch die rechte Zeit dazu sein. Der bekannte Vers aus dem Buch Kohelet fasst das so zusammen: „Alles Vorhaben und alles Tun hat seine Zeit.“ Das bedeutet, dass es auch Zeiten gibt, in denen Entscheidungen, Tun und Handeln nicht anstehen.
Die Beantwortung einer Grundsatzfrage bedarf eines stabilen Fundaments – einer guten Verfassung. Das scheint mir im Moment bei Ihnen nicht der Fall zu sein. Wenn Sie jetzt aktuell Ihre Beziehung in Frage stellen, so tun Sie dies aus einer inneren Not heraus.
Was wäre, wenn im Augenblick nichts zu tun wäre? Wie wirkt auf Sie die Vorstellung, dass es im Moment nur darum ginge, den Tag zu leben? Langsam, unangestrengt. Sie sammeln Ihre Kraft. Sie leben jeden Tag so dankbar und sinnvoll, wie es möglich ist. Das genügt.
Lassen Sie diesen Gedanken auf sich wirken und beobachten Sie, ob es sich gut anfühlt. Im Außen nichts zu tun bedeutet nicht zwangsläufig „nichts tun“. Wir können innerlich die Dinge wachsen und reifen lassen. Im Außen ist nichts zu sehen. Wie die Natur, die im Winter schläft. Sie sammelt ihre Kräfte im Verborgenen. Sie wartet. Es kommt der Frühling. Und alles sieht anders aus.

Dipl.-Psych. Anna Schreiber
ist Psychotherapeutin in Karlsruhe.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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