Mutworte - Ruth Zenkert
Väter sind gesucht
Unter den vielen jungen Roma-Männern, die sich in unseren Werkstätten bewarben, war der schmächtige Danciu. Keiner hatte die Pflichtschule abgeschlossen, die wenigsten konnten lesen, schreiben, rechnen. Vor allem waren sie nicht gewohnt, verlässlich zur Arbeit zu kommen. Viele feierten nach der ersten Gehaltszahlung und kamen nicht mehr. Danciu gehörte zu denen, die blieben.
Er war geschickt und lernte mit großem Interesse, denn er wollte sich etwas aufbauen. Er hatte eine Frau, sie hatte drei Kinder in die Ehe mitgebracht. Dann bekamen sie noch zwei Kinder. Sie zogen in ein Haus von Elijah, er übernahm die Aufgabe, den Garten zu bearbeiten. Bald stand Dancius großer Stolz vor einem Ballen Heu: ein junges Pferd. Schweine und Hühner kamen dazu.
Alle bewunderten ihn. Auch Ionuţ, einer der schwierigsten Buben aus unserem Kinderhaus. Er bedrohte Erzieherinnen, würgte andere Kinder, trieb sich in der Dorfbar herum. Heimat suchte Ionuţ bei Danciu. Dort half er mit, versorgte die Tiere, mähte Gras. Und er freute sich, am Familientisch mitzuessen.
Zum Vater, zur Mutter werden heißt, jemandem eine Heimat geben. Für wen darfst du Vater oder Mutter sein?
Ruth Zenkert ist Leiterin des Sozialprojektes Elijah in Rumänien.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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