Positionen - Svjetlana Wisiak
Unproportional
Mit Vorfreude erwarte ich ein Paket, das in den nächsten Tagen geliefert werden soll. Als das Packerl nach einer Woche noch nicht da ist, mischt sich Ungeduld unter die Freude. Eine Nachfrage ergibt: Nicht angetroffen, zurück an den Absender. Aus dem explosiven Gemisch in der Bauchgegend wird Zorn, der sich in passiv aggressiven „Bitte jederzeit an Tür XY abstellen“-Schildern in unproportionaler Größe ausdrückt. Ich zumindest hätte, wäre ich beim in Ungnade gefallenen Paketdienst angestellt, aus Angst vor den Rachegelüsten die Post der nächsten drei Hausnummern auch gleich bei der Tür XY abgegeben.
Erst als mich, eine weitere Woche später, mein Paket vor der Tür anlächelt, breitet sich Scham aus. Denn die Lebensrealität der Boten sieht alles andere als vorweihnachtlich selig aus. Der Leistungsdruck ist enorm, die Bezahlung miserabel, die Arbeitsbedingungen sind unmenschlich, und Höflichkeit ist eine Rarität. Ich frage mich, ob diese zu oft geringgeschätzten hart arbeitenden Menschen überhaupt noch Vorfreude auf diese schönste Zeit im Jahr empfinden.
Uns alle sollte das nicht nur nachdenklich machen, sondern auch ermahnen, allen unseren Nächsten mit Freundlichkeit zu begegnen. In diesem Sinne: Frohe Feiertage!
Svjetlana Wisiak
svjetlana@wisiak.at
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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