Positionen - Elisabeth Wimmer
Umwege, hurra!

Bekannte treffen, ohne sie vorher abzuzählen, Kaffeebesuch oder Gruppentreffen genießen, einfach unter die Leute gehen: Seit einigen Wochen erweitert sich der Alltagsradius wieder über Kirchgang, Arbeitsweg, Einkauf und „Spazierengehen“ hinaus. Langsam zerbröselt der
Mix aus Genervtsein und Lähmung, der zuweilen spürbar war.
Wo kein direkter sozialer Kontakt möglich ist, fehlen irgendwann die Energieimpulse, die aus Begegnungen entstehen; das lähmt, sagt der Soziologe Hartmut Rosa. Aus Begegnungen selbst kommt Energie für Begegnung, auch Konzentration fürs produktive Nachdenken und Inspiration für neue Ideen.
Nicht nur die erfreulichen, die „schönen“ Begegnungen meint er damit. Auch was irritiert, überrascht, unterbricht, gar nervt oder verärgert, kann einen Energiestoß versetzen, sozusagen zum geistigen Angerempeltwerden geraten. Ein bisschen aus der Balance gebracht, stolpert man womöglich in eine klein-verschobene Perspektive hinein, die man niemals angestrebt hätte. Vermisst haben wir das wahrscheinlich nicht, es hat aber gefehlt.
Umwege spielen dabei eine Rolle. Sie unterwandern – mit dem Zufall als Helfer – den Plan vom kürzesten und schnellsten Weg. Auch fürs Sich-zufällig-Treffen gibt es jetzt wieder mehr Gelegenheiten. Nützen wir sie – ab und zu! Wer weiß, wer und was uns begegnen mag. Jemand grüßt, und dann ...
Das Schöne: Soziale Energie vermehrt sich durch ihren Verbrauch. Wie Vertrauen oder Zuneigung. Jetzt geben wir uns dieser geheimnisvollen Dynamik wieder stärker hin. Endlich wieder Umwege!

Elisabeth Wimmer

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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