Positionen - Leopold Neuhold
Schon "vorlächeln"

Ein König hat ein wunderbares Schloss und einen prächtigen Jagdhund. Eines Tages verläuft sich der Jagdhund in den Spiegelsaal des Schlosses. Beim Anblick seines Spiegelbildes, in der Meinung, ein anderer Hund sei da, fletscht er die Zähne. Natürlich zeigt auch das Spiegelbild drohend die Zähne, und das tun alle Spiegelbilder im mit Spiegeln vollgestellten Saal. Wildes Knurren und Bellen, angedeutete Attacken vervielfältigen sich in den Spiegelbildern. So hetzt der Hund panisch im Saal herum, verfolgt von Hunderten von Spiegelbildern, und bricht tot zusammen. Hätte er nur einmal freundlich mit dem Schwanz gewedelt!
Natürlich bildet sich unser Verhalten nicht spiegelbildlich im Agieren des anderen ab, aber damit, wie wir uns dem anderen gegenüber verhalten, beeinflussen wir wesentlich die Reaktion des anderen. Wenn man zeigen will, wer der Herr im Haus ist, erfährt man oft den Widerstand der anderen, was wieder die eigene Abwehrhaltung verstärkt. So bildet sich eine Spirale der Gewalt, die sich immer höherschraubt. Da bleibt meist kein Platz für eine freundliche Geste, ein freundliches Wort, an und für sich kleine Dinge, die aber den Prozess des Protzens und Drohens durchbrechen könnten.
Der Advent ist die Erwartung des freundlichen, dem Menschen in Liebe zugewandten Gesichtes Gottes. Weihnachten ist die Durchbrechung der unheilvollen Aufschaukelung von Angst und Gewalt. Gott droht nicht, er lächelt uns im Kind Jesus an. Sollten wir da nicht zurücklächeln, indem wir menschenfreundliche Schritte setzen? Im Advent könnten wir schon „vorlächeln“.

Leopold Neuhold

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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