Positionen - Leopold Neuhold
Neue Nähe feiern

„Die Knöpfe meiner Weste haben sich exakt an die Corona-Regeln gehalten. Sie halten die Vorschriften des Social Distancing ein!“ So einer, dem die Notwendigkeit, zu Hause zu bleiben, gewichtsmäßig zugesetzt hat. Und manche sehen sich in der Zange zwischen Anonymen Alkoholikern und Weight-Watchern. Dies liegt vielleicht auch am Immer-Gleichen: keine Feste, keine Abwechslung, deswegen immer „Fest mit sich“, auch wenn es ein Frustfest ist.
Kommt da nicht die Fastenzeit wie gerufen? Ja, wenn sie überhaupt wahrgenommen wird, wenn wir überhaupt den Aschermittwoch bemerken. Es kann aber nicht das einzige Ziel der Fastenzeit sein, dass sich die Knöpfe an der Weste wieder „sozial“ näherkommen, auch wenn das ein wichtiges Ziel sein kann. Wenn es ein weiteres wichtiges Ziel gibt, dann doch das, über die Situation hinauszublicken und sich von einem verkrampften Blick auf das, was uns teilweise heute gefangen hält, wenigstens ein klein wenig zu befreien. Wenn wir in die Bibel schauen, dient Fasten auch der Besinnung auf das, was an Fehlentwicklungen gelaufen ist, was der Veränderung bedarf. Dies ist notwendig, damit wirklich Auferstehung gefeiert werden kann.
Eine Rückkehr zur Normalität genügt nicht, wir brauchen eine geistig erneuerte Normalität. Fasten war immer auch ein Akt der Selbstreinigung, indem man von sich wegschaut, ein Weg zu sich selbst auf dem Umweg über den Blick auf den anderen und auf Gott. Indem wir Abstand halten, soll eine neue Nähe zu den Mitmenschen und Gott geschaffen werden, die Köpfe, nicht nur die Knöpfe sollen sich näherkommen können.

Leopold Neuhold

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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