Positionen - Christian Teissl
Lob des Schweigens

Unter all den Worten des Dankes und des Gedenkens für Herbert Meßner, den langjährigen Sonntagsblatt-Chefredakteur, ist mir eines besonders nahegegangen: „Man konnte gut mit ihm schweigen.“ In unserer redseligen Epoche eine seltene Qualität, die kaum wer zu würdigen weiß. Man ist froh, wenn man jemanden gefunden hat, mit dem man gut reden kann, in allen Lebenslagen, offen und ehrlich; nach jemandem aber, mit dem man gut schweigen könnte, hält man gar nicht erst Ausschau. Miteinander schweigen – wer hat dafür heute schon Zeit und Geduld? Menschen, die miteinander schweigen, sind in der Regel – so möchte man meinen – noch nicht vertraut genug, um miteinander ins Gespräch zu kommen, oder aber schon so weit voneinander entfernt, dass kein Wort mehr den Abgrund, der sie trennt, überbrücken kann und ihnen nichts mehr als die Flucht ins Schweigen bleibt.

Wer es aber zuwege bringt, im Gleichklang mit anderen Stille zu halten, gemeinsam in sie einzutauchen wie in einen sommerlichen See, um gemeinsam wieder daraus aufzutauchen, erfrischt und gestärkt, braucht einander nichts zu erklären, braucht keine Worte zu machen. Vielleicht ist das die intensivste Form des Zwiegesprächs und, im Letzten, ein Liebesbeweis.

Christian Teissl

teissl@mur.at

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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