Mutworte - Anna Schreiber
Leben neben einem Alkoholkranken
„Mein Mann trinkt. Viel zu viel und schon lange.“ Sie werde bei ihrem Mann bleiben, schreibt eine seit 40 Jahren verheiratete Frau, fühle sich aber „wie festgenagelt und ratlos“.
Es ist nicht vorhersehbar, was Ihr Mann tut. Sie können sich mit ihm so gut wie nicht mehr einigen, nichts Verbindliches vereinbaren oder gar planen. Er lebt in seiner eigenen Alkohol-Welt. Sie sind mit einem Mann verheiratet, der da ist und doch nicht da ist.
Ist es für Sie möglich, die letzte Spanne Ihrer Lebenszeit lebenswert zu leben? Das ist wesentlich. Vielleicht eine der Fragen, die gelebt, die geliebt werden wollen. So kann der Mensch „eines Tages in die Antwort hineinwachsen“, wie Rainer Maria Rilke es meisterlich ausdrückt. Ich kann mir eine Wende vorstellen, wie auch Ihr Hausarzt und Ihre Kinder raten, dass Sie sich mehr um sich selbst kümmern sollen. Die Kinder haben Abstand und ein eigenes Leben. Sie möchten, wenn schon der Vater krank ist, soll nicht auch noch die Mutter „dahinsiechen“.
Vielleicht ist jetzt die Zeit gekommen, dass Sie Ihren Blick abwenden von Ihrem Mann und hinwenden zu sich selbst. Fragen Sie sich immer wieder: „Was ist in diesem Moment, in Anbetracht der realistischen Möglichkeiten, das, was ich am liebsten tun möchte und auch tun kann?“ Richten Sie sich (auch mit Unterstützung einer Selbsthilfegruppe) immer wieder auf Ihr eigenes Leben aus, das kostbare, einzige und wertvolle: Wie kann ich mich jetzt für mich entscheiden? Was tue ich dann? Was lasse ich?
Dipl.-Psych. Anna Schreiber
ist Psychotherapeutin in Karlsruhe
Autor:Ingrid Hohl aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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