Positionen - Svjetlana Wisiak
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Auf dem Weg zur Kasse im Supermarkt eile ich triumphierenden Schrittes voran: Eine einzige Kundin ist gerade am Bezahlen. Keine betagte Dame, für deren Kleingeld-Schatz kein Jutesack der Welt groß genug wäre. Nein, eine junge, die ihren Tag besser zu verbringen weiß, als sich mit der Kassiererin über die Wetterentwicklungen der letzten 40 Jahre zu unterhalten.

Das Ziel zum Greifen nahe, nehme ich aus dem Augenwinkel den Mann mittleren Alters gerade noch rechtzeitig wahr, um einen Zusammenstoß zu vermeiden, der mich die resche Konsistenz meines Frühstücksweckerls gekostet hätte. Er, der im American Football noch locker als Quarterback durchgehen würde, sprintet also zum Kassenband und verteilt darauf den potenten Inhalt seines Einkaufswagens, der einen enormen Hunger vermuten lässt. In meinem Kopf brauen sich Verwünschungen zusammen, mein Gesichtsausdruck veranlasst die herannahenden Schüler, einen respektablen Sicherheitsabstand einzuhalten.

Und dann kommt aus dem Nichts der Blick des Quarterbacks in meine Richtung, ein kurzer Moment der Synapsenarbeit und ein selbstverständliches „A so, mei, geh’n Sie doch ruhig vor“.

Von einer Sekunde auf die andere geht mir mein Herz auf, und all die wüsten Beschimpfungen, die nach der Verselbständigung meines Hirns noch irgendwo im Nimbus herumlungern, richten sich rügend gegen mich selbst. Gegen den Pessimismus und den verlorenen Glauben an das Gute im Menschen, den eine noch so kleine Geste im Handumdrehen wiederherstellen kann.

Svjetlana Wisiak

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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