Aus meiner Sicht - CR Herbert Meßner
Gottes große Überraschung

Im Kalender haben die Kartage einen Termin. In der Wirklichkeit sind Leidenstage und Leidenszeiten immer wieder und ganz verschieden gegenwärtig.

Gründonnerstag etwa ist überall dort, wo Ängste, ja Todesängste herrschen, wo gebetet wird, dass mancher bittere Kelch vorübergehen möge. Gründonnerstag ist dort, wo zugeschlagen wird, sei es zum Angriff oder, wie Petrus meint, zur Verteidigung. Dieser Tag ist dort, wo Ohren abgeschlagen werden, sprich das Zuhören und das Gespräch aufhören.

Gründonnerstag ist aber auch dort, wo eine oder einer anderen die Füße wäscht, ist im Spital, im Heim, bei der Pflege zu Hause. Und Gründonnerstag ist dort, wo wir das Brot brechen und Christus, seinen Leib und seine Gesinnung, in uns aufnehmen.

Karfreitag ist überall, wo die Finsternis des Bösen, der Gewalt oder jene der Armut herrscht. Karfreitag umfasst auch Verleugnung und Verrat oder eine feige Form der Flucht. Karfreitag ist Gottesfinsternis und Gottverlassenheit. Karfreitag ist, wo Menschen Unmenschliches vollbringen. Aber nicht die Täter können sagen „Es ist vollbracht“, sondern die Opfer.

Karsamstag ist der Tag der begrabenen Hoffnungen, der verschwundenen Lichtgestalten, der schweren Steine, die Verluste fixieren sollen.

Doch in alle Kartage und Leidenszeiten stellt Gott beharrlich das Ostern hinein: die Auferstehung, den unerwarteten Neubeginn, die Wiederentdeckung des verloren Geglaubten. Am Ende der Karwoche kommt Ostern automatisch, im Leben dagegen als Gottes große Überraschung.

Herbert Meßner, Chefredakteur

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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