Mutworte - Ruth Zenkert
Freunde unter Fremden

Foto: privat

„Elijah tanzt und singt mit ihnen, mit den vielen jungen Raben“, lautet ein Vers unserer Elijah-Hymne. Viele junge „Raben“ gehen in der Musikschule ein und aus. Nicusor sticht heraus, er ist schon etwas größer als die Anfänger. Er besucht das Gymnasium, doch er ist oft zu Hause, weil er auf seine kleinen Geschwister schauen muss. Die Mutter ist gestorben, der Vater als Taglöhner oft unterwegs. Eine Stütze sind die Freunde in der Musikschule. Mit ihnen spielt er auf Hochzeiten und Festen und hat sich so Geld angespart. Heute strahlt er, weil er sich eine eigene Klarinette gekauft hat.

Raben lassen sich die Roma nicht gerne nennen, ist es doch in Rumänien das schlimmste Schimpfwort für sie. Aber in der Musikschule hat sich das umgekehrt. Jedes Jahr üben die Jugendlichen für das Sommerkonzert mit dem Namen „Rabentanz“. Die „Raben“ sind es, die allen in der Umgebung Kultur und Musik bringen. In der Bibel werden die Raben einerseits kritisch gesehen. Sie fressen Aas und gehören zu den unreinen Tieren. Andererseits sind die Raben diejenigen, die den erschöpften Elijah retten, indem sie ihm in Gottes Auftrag Brot und Fleisch bringen. Vielleicht, weil sie hochintelligente und treue Tiere sind.

Menschen wie Tiere kann man schlechtmachen. Roma sind anders, sind uns fremd, deshalb machen sie uns Angst. Aber wenn man unter ihnen einen Freund gewinnt – wie Nicusor –, sind sie nicht mehr Sozialfälle und Bettler. Die Fremden machen mich stark und mein Leben weit.

Ruth Zenkert
ist Mitarbeiterin der von P. Georg Sporschill, SJ., gegründeten sozialen Werke in Rumänien. Aus: elijah.ro/bimail

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ