Offen gesagt - Giovanni Maio
Entsorgung der Sorge

Foto: Wernet

Was kritisieren Sie an dem in Österreich seit 2022 legalen assistierten Suizid?

Eine Kultur, in der es selbstverständlich und richtig erscheint, Leben auf Wunsch aktiv zu beenden, wendet sich von der Selbstverständlichkeit des Ringens um ein gutes Leben ab. In einem zunehmend ökonomistischen Verständnis des Menschen droht Leben jederzeit zu etwas Wertlosem zu werden. Den assistierten Suizid zur Normalität werden zu lassen, käme einer Entsorgung der Sorge gleich.

Er setzt auch die Heilberufe unter Druck und bringt sie in eine Schieflage. Heilberufe kehren sich damit ab von einer grundsätzlich lebensbejahenden Grundhaltung. Aus dieser Haltung heraus kann sich aber erst eine Kultur der Sorge entfalten, die anderen das Gefühl eines fundamentalen Angenommenseins vermittelt. Statt einer Normalisierung des assistierten Suizids muss man dafür eintreten, dass Menschen anderweitige Unterstützung erhalten. Sinn der Sorge um die anderen ist es, jedem Menschen das Gefühl zu geben, in jedem Zustand Teil der Gemeinschaft zu sein. Eine Gemeinschaft, die nicht müde wird, sich für ein gutes Leben auch und gerade der bedrängten Menschen einzusetzen, anstatt sie in ihrem Gefühl der eigenen Wertlosigkeit und ihrer Verzweiflung sich selbst zu überlassen.

Giovanni Maio ist ein deutscher Mediziner, Philosoph und Universitätsprofessor für Medizinethik in Freiburg.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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