Positionen - Karl Veitschegger
Eine Zumutung

Es hat Jahrhunderte gedauert, ehe man gewagt hat, das qualvolle Sterben Jesu „realistisch“ darzustellen. Inzwischen hat man sich an die Kreuze mit Corpus gewöhnt, und Gläubige verteidigen sie vehement gegen Kritik: Gott ist in Jesus wirklich Mensch geworden und hat als solcher furchtbar gelitten — mit uns und für uns. Diese Botschaft muss zumutbar sein, sagen sie.

Nun hat die Künstlerin Esther Strauß gewagt, auch Jesu Geburt „realistisch“ darzustellen. Eine Skulptur, die Maria in gebärender Position zeigt. Aufgestellt im Linzer Dom. Total ungewohnt, für viele verstörend. Darf man das zeigen? „Ekelig“, „frauenfeindlich“, „satanisch“ lauten die Proteste. Unbekannte sägen der Skulptur schließlich brutal den Kopf ab. Fromme Zerstörungswut? „Katholiban“am Werk?

Auch mich irritierte die Darstellung. Ich verstehe den Widerstand. Überforderung macht oft aggressiv. Ich empfinde keine Aggression, aber dem muss ich mich stellen: Gottes Menschwerdung ist eine Zumutung! Menschenfleisch aus Menschenfleisch, geboren aus einer Frau. Christentum ist nichts Blasses, es ist fleischig, blutig, wahrhaft menschlich. „Daran erkennt ihr den Geist Gottes: Jeder Geist, der bekennt, dass Jesus Christus im Fleisch gekommen ist, ist aus Gott!“ (1 Joh 4,2) – Nein, Esther Strauß ist keine Gotteslästerin.

Karl Veitschegger

redaktion@sonntagsblatt.at

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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