Positionen - Monika Prettenthaler
Durcheinanderwirbeln

Es ist wieder soweit: Bunter werdende Blätter – nicht nur auf den Bäumen, sondern auch auf dem Boden. Herbst. Richtig dynamisch wird es, wenn der Herbstwind alles durcheinanderwirbelt und die Farbenpracht des Laubes dann auch an unerwarteten Orten zu finden ist …
Eine ganz andere Kraft, die belebend durcheinanderwirbelt, ist für mich Kunst. KünstlerInnen oder auch GestalterInnen von Ausstellungen schaffen es oft in beeindruckender Weise, eingefahrene Denk- und Sehweisen zu irritieren – auch und gerade in Fragen, die den Glauben oder Religion(en) berühren.
Die Pädagogik nennt dieses verstörende und zugleich anregende Potenzial „Perturbation“. Perturbationen lenken den Blick in neue Richtungen, motivieren zum Überdenken von Positionen, öffnen Wege für Alternativen und ermöglichen vielleicht auch bisher Undenkbares oder Unmögliches. Solches Lernen hält geistig beweglich und ist die Basis für den respektvollen Umgang mit anderen.
Noch eine prominente „Durcheinanderwirblerin“sei hier genannt: die Bibel.
Ihr Reichtum an Texten, die in vielfältiger Weise vom Sich-Einlassen Gottes auf menschliche Verstehensbedingungen einerseits und umgekehrt von der menschlichen Suche nach einem Leben in Fülle, von Hoffnung und Verzweiflung, vom Lieben und Leiden, von … erzählen, ist die – im wahrsten Sinn des Wortes – geistreiche Einladung, das eigene Leben immer wieder neu zu verstehen.
Lassen wir uns auf irritierende Kräfte wie die Kunst oder das Wortes Gottes ein: Auch wenn sie oft viel durcheinanderbringen, machen sie keine Unordnung. Sie räumen auf.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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