Mutworte - Ruth Zenkert
Die Sprache der Liebe
Mit Sonnenaufgang weckte mich jeden Morgen um fünf Uhr das Läuten einer Kuhglocke. Eines Tages schaute ich aus dem Fenster und sah im Garten nebenan die alte Nachbarin auf und ab gehen, die Glocke in der Hand. „Ist das ein orthodoxes Morgengebet?“, fragte ich sie. „Gegen die frechen Spatzen, die mir die Samen aus der Erde picken!“, rief sie zurück. Alt und gebückt, kann sie keine großen Sprünge mehr machen, auch ihr erwachsener Sohn hat eine körperliche Beeinträchtigung – er hinkt – und kann keiner Arbeit nachgehen. Sie ernähren sich von der Ernte ihres Gartens, haben ein paar Hühner und ein Schwein, kein weiteres Einkommen.
Mit ihren wenigen Kräften pflanzt die Nachbarin Salat, Kraut, Rüben, Kartoffeln, Sellerie und anderes Gemüse an, dazu noch ein paar Reihen Mais, für Mamaliga – Polenta – und für die Tiere. Sie jätet das Unkraut, streichelt gleichsam jedes Kräutlein, damit es gut wächst. All ihre Liebe legt sie in die Pflege ihres Gartens.
Das Glöckchen der Nachbarin hat sich mir als Bild für die Liebe eingeprägt. So wie sie auf jeden Zentimeter in ihrem Garten achtet, so verstehe ich die genauen Maße, die Gott in der Bibel für Noahs Arche bestimmt, mit der die Menschheit gerettet werden soll. Die Details sprechen von der Liebe Gottes und von der Größe seines Plans. In der Liebe ist nichts egal, sie achtet auf die Kleinigkeit, in der das Große der Beziehung aufleuchtet. Noahs Arche und das Glöckchen der Nachbarin mit ihrem Garten sprechen die Sprache der Liebe.
Ruth Zenkert ist Mitarbeiterin der von P. Georg Sporschill, SJ., gegründeten sozialen Werke in Rumänien.
Ruth Zenkert
ist Mitarbeiterin der von P. Georg Sporschill, SJ., gegründeten sozialen Werke in Rumänien. Aus: elijah.ro/bimail
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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