Mutworte - Elisabeth Rathgeb
Den Rhythmus des Lebens spüren
Ich grabe Löcher in den Boden und pflanze Dahlienknollen ein. Die alten Wurzeln sind groß und schwer. Am Gartenzaun steht meine kleine Nachbarin und schaut mir eine Weile zu. Dann fragt sie ganz ernst: „Warum tust du das?“ Ich muss lachen. Gute Frage: Warum tue ich das? Weil ich möchte, dass hier Blumen blühen. Weil ich mich daran freuen kann. Und vielleicht auch alle, die hier vorbeigehen. Sie ist zufrieden. Es gibt noch viele Gründe, von denen ich ihr nichts erzähle: Dahlien erinnern mich an meine Mutter. Von ihr habe ich sie geerbt und mit ihnen auch den Garten, den sie viele Jahrzehnte gepflegt hat.
Im Garten wachsen auch Gemüse, Beeren und Kräuter, weil nichts besser schmeckt als frisch Geerntetes aus dem eigenen Anbau direkt vor der Haustür. Ohne Transportwege, regional und bio. Ein kleiner Beitrag gegen Klimawandel und Bodenversiegelung und für die Artenvielfalt. Auch wenn das Unkraut oder Beikraut besser gedeiht, als mir lieb ist, die Blattläuse explodieren und die Schnecken Feste feiern.
Der Garten gibt mir Boden unter den Füßen. Er ist für mich ein Ort der Ruhe in einer oft lauten und hektischen Welt. Hier spüre ich hautnah den Rhythmus des Lebens – eingebettet in den Kreislauf der Jahreszeiten: säen, keimen, wachsen, reifen, ernten, sterben, ruhen. Im Garten fühle ich mich im Einklang mit der Natur als Teil eines größeren Ganzen – dem Geheimnis des Lebens ganz nahe.
Aus: Elisabeth Rathgeb: Kopfsalat mit Herz. Eine spirituelle Entdeckungsreise durch den Garten. Verlag Tyrolia. Die Autorin ist Caritas-Direktorin in Tirol.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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