Positionen - Karl Veitschegger
Bub oder Mädel?

Meine Schwester Maria war sehr enttäuscht, als uns Kindern erklärt wurde, das Christkind im schönen Kleidchen am Hochaltar sei kein Mädchen, sondern ein Bub. Warum wurde Jesus als Mann geboren? Das beschäftigte auch frühere Generationen. Der große Thomas von Aquin meinte, Gott in seiner Allmacht hätte zwar einen Frauenkörper annehmen können, aber wegen des „Lehrens“ und „Herrschens“ musste Jesus doch Mann werden. Diese Begründung klappt heute nicht mehr. Die Theologin Tina Beattie sagt, Männer hätten ungleich mehr Unheil in der Welt angerichtet als Frauen, weshalb auch ein Mann das Leid auf sich nehmen und auslöschen müsse. Das macht nachdenklich. Aber ist das anatomische Geschlecht für die Erlösung wirklich entscheidend?

Jesus ist Mensch (!) geworden. Das ist es doch, was ihn mit uns allen verbindet, unabhängig von Alter, Hautfarbe, Geschlecht. Der Theologe Graham Ward erinnert zu Recht an Paulus: Seit der Auferstehung Jesu ist die ganze Kirche sein Leib (vgl. 1 Kor 12,27). Und dieser Leib umfasst Männer und Frauen, ja ist ein „multi-gendered-body“. Darum, meine ich, sollte die Anatomie Jesu von Nazaret auch nicht länger dafür entscheidend sein, wem unsere Kirche heute (!) bestimmte Ämter und Dienste zutraut.

Karl Veitschegger

redaktion@sonntagsblatt.at

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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