Aus meiner Sicht - CR Herbert Meßner
Brauchen wir einen Aufruf zur Freude?

Im Advent wird in vielen Kirchen „Rorate“ gefeiert.
Der Name kommt vom lateinischen Eröffnungsgesang der Marienmesse im Advent: Tauet, ihr Himmel, den Gerechten! „Tauet“ heißt auf lateinisch „Rorate“. Wie der morgendliche Tau soll der Erlöser als Geschenk des Himmels kommen.
Als „Gaudete-Sonntag“ hat der dritte Adventsonntag einen ähnlichen Namen bekommen. Der lateinische Einzugsgesang zu seiner Messe ist eine Aufforderung an uns: Gaudete! Freut euch!
Aber brauchen wir eigentlich eine Aufforderung zur Freude? Macht uns das Fest nicht Freude genug? Bedeutet das Kommen Gottes in die Welt für Gläubige nicht die tiefste Freude?
Die Kirche hat anscheinend schon immer gewusst, dass wir trotzdem einen Aufruf zur Freude brauchen. Oft ist es der vorweihnachtliche Stress, der unsere Freude lähmt, die vielen Besorgungen, die knapp werdende Zeit. Auch Zusammenkommen in der Familie kann Stress machen, auch die vielen Feiern, Proben. Und weil alles fröhlich sein „muss“, kann die Überforderung größer sein als die Freude.
Derzeit gibt es auch anderes, was uns die Freude nimmt. Der Pandemie überdrüssig, gehen wir aufeinander los, diskutieren nicht unsere verschiedenen Meinungen aus, sondern machen die über Corona-Maßnahmen Andersdenkenden schlecht. Gegeneinander statt Gemeinsamkeit. Der Spaltpilz in der Gesellschaft wird dann gefährlicher als das Virus selbst. Vielleicht braucht „Freut euch!“ heute die Variante „Vertragt euch!“ Oder: „Besinnt euch!“

Chefredakteur Herbert Meßner

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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