Mutworte - Sabine Petritsch
Blick ins Herz

Foto: Neuhold

Lange schon habe ich den Bekannten nicht getroffen, umso freudiger das Wiedersehen in diesem luftigen Lokal. Wir sprechen über Aktuelles, was uns beschäftigt, was uns berührt, wo Fragen in uns entstehen. Die Laube über uns behütet uns, eine gemeinsame Stille stellt sich irgendwann dazwischen ein. Unerwartet fragt er mich, wie steht es um deinen Glauben? Ich bin unvorbereitet. Denkt er, es gibt eine einfache, schnelle Antwort? Während in meinem Kopf Gewusel entsteht, sagt er, entschuldige, ich weiß es ist wahrscheinlich die persönlichste Frage, sie ist zu intim und ich bin zu mutig sie dir zu stellen, du brauchst nicht antworten. Ja, stimme ich zu, sie ist kühn. Ich meine, ein bisschen Zeit bräuchte ich jetzt, denn ich will ja ehrlich sein. Ich erzähle ihm von der Fülle geschenkter Augenblicke, von Fragen, die ins Leere führen, von Einsamkeit und Verbundenheit, von Zweifel und der Suche trotz des immer auch Findens und auch wieder Verlierens, vom fernen Gott und von Jesus, dem Meister. Er nickt, trinkt und meint ja, er spürt Ähnlichkeit. Ich frag ihn, wie kommst du drauf? Sagt er, es gibt so wenig Mutige, die sich ins Herz schauen lassen und das find ich schade, weil sich nur dadurch mein Herz weitet.

Sabine Petritsch ist Theologin und zertifizierte Pastoralpsychologin.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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