Mutworte - Anna Schreiber
Anderes Weihnachten

Foto: privat

„Wenn ich an Weihnachten denke, frage ich mich, was davon überhaupt noch übrig bleiben wird in dieser ‚so anderen‘ Zeit? Viele liebgewordene Rituale werden wohl dieses Jahr nicht möglich sein.“
Vielen Menschen geht es so wie Ihnen. Das „so andere“ Ostern ist uns noch in lebhafter Erinnerung. Im Frühjahr trösteten wir uns mit dem Gedanken, dass bald alles wieder „normal“ sein werde. Nun steht Weihnachten vor der Tür, und „normal“ im Sinne von „wie immer“ wird es nicht werden.
Die Frage, die uns weiterbringen kann, heißt nicht „Was bleibt?“, sondern „Was wird?“. Die Frage „Was bleibt?“ blickt auf den Rest, der übrigbleibt, wenn etwas weggenommen wurde. Wir fühlen ein Defizit, vielleicht Trauer. Die Frage „Was wird?“ wirkt anders. Sie schaut auf die Möglichkeit der Veränderung. Sie nimmt etwas vorweg, was wir noch nicht wissen können, da es sich noch nicht ereignet hat. Veränderung liegt vor uns, geschieht mit uns, oft auch erst durch uns.
Wir können uns der Herausforderung stellen. Wir können unseren Blick auf das Wesentliche richten. Worum geht es denn zu Weihnachten? Was feiern wir überhaupt? Von Eugen Drewermann stammt der wertvolle Satz: „Eine andere Krippe hat Gott sich nicht erwählt als unser Herz.“ Was, wenn wir dies zuließen? Was geschieht mit uns, wenn wir auf unser Herz schauen, auf all die Liebe, die uns schon geschenkt wurde in unserem Leben? Wie ist es, wenn wir zu glauben wagen, dass wir geliebt sind, schon immer? Ich glaube, da wären wir sehr dicht dran am Geheimnis der Weihnacht.

Dipl.-Psych. Anna Schreiber
ist Psychotherapeutin in Karlsruhe. 

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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