Positionen - Elisabeth Wimmer
100 Jahre gehen
Kürzlich wäre meine Mutter 100 Jahre alt geworden. Ihre jungen Jahre waren vom Krieg geprägt, eine weiterführende Ausbildung wurde 1938 unmöglich gemacht. Die Kriegszeit hat wie bei vielen Menschen ihrer Generation – und unserer Zeit! – Stolpersteine in ihr weiteres Leben geworfen, von denen mancher auch noch die Schritte ihrer Kinder gebremst hat. Dennoch war unser Familienleben vom positiven Grundton ihrer Persönlichkeit fröhlich geprägt. Es konnte durch ebenfalls anwesende Schatten nicht vollends verdunkelt werden.
Oft hat sie gesagt: „Für euch wird es schwer sein, wenn die Zeiten einmal schlechter werden, weil ihr das Zurückstecken nicht gewohnt seid.“ Mit Zurückstecken meinte sie: Armut kennen, mit weniger auskommen, akzeptieren, dass man nicht alles haben kann, dass nicht alles möglich ist. Zurückstecken, oja, das kannte sie. Nicht allein materiell. Eigene Begabungen entdecken und ihnen folgen können, eigene berufliche Pläne entwickeln dürfen: Das war für viele Menschen damals kein Thema, und erst recht keines für die meisten Frauen.
In heutigen Kriegs- oder Armutsszenarien ist das nicht anders: Es bleiben Biografien auf der Strecke – und Stolpersteine auf Lebenswegen liegen.
Elisabeth Wimmer
redaktion@sonntagsblatt.at
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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