Washington
Wovon Martin Luther King vor 60 Jahren träumte

Martin Luther King hielt am 28. August 1963 seine berühmt gewordene „I have a dream“-Rede. Dass Kings Träume noch nicht erfüllt sind, weiß William Barber zu gut. Er führt die von King gegründete „Poor People’s Campaign“ heute an.
 | Foto: David Erickson/CC BY 2.0/wmc
  • Martin Luther King hielt am 28. August 1963 seine berühmt gewordene „I have a dream“-Rede. Dass Kings Träume noch nicht erfüllt sind, weiß William Barber zu gut. Er führt die von King gegründete „Poor People’s Campaign“ heute an.
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Washington.Vor 60 Jahren hielt Martin Luther King seine legendäre Rede. Ob sein Traum wahr wurde?

William Barber hat eine Mission. Der schwergewichtige schwarze Südstaaten-Pfarrer steht an der Spitze der „Poor People’s Campaign“, die das unvollendete Werk Martin Luther Kings war. Die Wurzeln reichen bis zum „March on Washington for Jobs and Freedom“ am 28. August 1963: Vor genau 60 Jahren klagte King als Führer der Bürgerrechtsbewegung auf der Mall in Washington die Demütigungen der Armut und des Rassismus in seiner legendären „I have a dream“-Rede wortgewaltig an.

Die tödlichen Schüsse eines weißen Rassisten auf King am 4. April 1968 unterbrachen die Anti-Armuts-Kampagne so jäh, wie sie kraftvoll gestartet war. Dass die „Poor People’s Campaign“ Jahrzehnte später wieder an Fahrt aufnimmt, liegt an Barber. Denn bis heute bleiben die Lebensumstände vieler Schwarzer in den USA bedrückend bis prekär. Obwohl sie nur 13 Prozent der US-Bevölkerung ausmachen, gelten fast doppelt so viele als arm. Sie haben eine deutlich schlechtere Gesundheitsversorgung, und beim Zugang zu höherer Bildung mangelt es. Der qualvolle Tod von George Floyd unter dem Knie eines weißen Polizisten rückte die tägliche Polizeigewalt gegen Schwarze in den Blick.

Im kirchlichen Raum bleiben die Gemeinden oft unter sich. Obwohl es heute mit Washingtons Erzbischof Wilton Gregory erstmals in der Geschichte der katholischen Kirche in den Vereinigten Staaten einen schwarzen Kardinal gibt, stellen sich Gläubige offen die Frage, warum es noch immer keine(n) schwarze(n) Heilige(n) gibt.

Die Gegensätze zwischen Schwarzen und Weißen in den frühen 60er-Jahren wirken aus heutiger Sicht dramatischer. King, als Sohn einer Lehrerin und eines Baptisten-Predigers in Atlanta, Georgia, geboren, wuchs in einer Zeit auf, in der die Rassentrennung zum Alltag gehörte – in der Schule, in Bussen oder im Restaurant. 1963 regierte im Weißen Haus der Demokrat John F. Kennedy. Wie King, aber aus anderer Position, setzte er sich für das Gleichheitsprinzip für Bürger aller Hautfarben ein.

Dennoch meldete der erste katholische US-Präsident Bedenken gegen den Marsch an. Kennedy fürchtete Gewaltausbrüche und teilte dies Vertretern der Bürgerrechtsbewegung mit. King blieb hart. Als Zeichen des Entgegenkommens ließen die Bürgerrechtler den Protestzug nicht am Kapitol, sondern am Lincoln Memorial enden.

King sprach als letzter der zehn Redner. Statt der geplanten vier Minuten benötigte er 16 Minuten, weil er von seinem Redemanuskript abwich. Nicht zuletzt wegen eines Zwischenrufs von Gospel-Star Mahalia Jackson: „Erzähl ihnen von dem Traum, Martin!“ Seine „I have a dream“-Rede, in der er seinen vier kleinen Kindern wünschte, in einem Staat aufzuwachsen, in dem sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilt werden, erreichte Ikonen-Status. Nur ein Jahr nach dem Marsch erhielt King den Friedensnobelpreis.
Barber, 1963 nur zwei Tage nach dem „Marsch auf Washington“ geboren, weiß, dass das damals postulierte Ziel, der Traum, noch lange nicht erreicht ist. „Wenn man in einer moralischen Bewegung ist, gibt man nicht auf, bis die Probleme gelöst sind“, sagt er. „Manche Dinge gewinnt man“, und das, was man nicht gewinnt, „gibt man an die nachfolgenden Generationen weiter“.

Thomas Spang/Kathpress

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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