75 Jahre Weltkirchenrat
Verständigung und Dialog
Er versammelt 352 Kirchen unter einem Dach, und das nicht immer konfliktfrei. Der Ukrainekrieg erschwert das geschwisterliche Miteinander.
Ein Gotteshaus. So sagt man oft zu einer Kirche. Hier kommt ein Haus für 352 Kirchen! Protestantische, anglikanische, orthodoxe und altkatholische. Das von außen eher wenig einladende Gebäude in der Route de Ferney 150 im Genfer Stadtteil Le Grand-Saconnex imponiert erst einmal nur durch sein Türschild: Mehr Mieter als eine Plattenbausiedlung hat der flache Beton-Stahl-Glas-Bau aus den 1960ern. Weltweit rund 580 Millionen Christen aus mehr als 110 Ländern werden hier repräsentiert: vom Ökumenischen Rat der Kirchen (Weltkirchenrat, ÖRK).
Gegründet wurde der Weltbund am 23. August 1948, also vor 75 Jahren, in Amsterdam. 351 Delegierte von 147 Kirchen unterschiedlicher Konfessionen und Traditionen nahmen teil. Drei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs herrschte – einmal mehr – fast überall auf der Welt der Wunsch, die Konflikte der Menschheit künftig gemeinsam, durch Verständigung und im Dialog zu lösen. Und bis heute versteht sich der ÖRK auch vor allem als eine Gemeinschaft von Kirchen, nicht als eine „Überkirche“.
Prunk- und Herzstück des ÖRK-Hauptquartiers ist der weite, helle Kirchenraum. Der Kubus mit den eleganten Holzverschattungen und Fensterflächen aus Buntglas atmet den Geist jener Verständigung, den die ÖRK-Leitung beschwört. Ein großer Gong am Eingang steht für geistige Weite, die über Europa und das westliche Anzug-Christentum hinausgeht.
Wie heikel und schwierig freilich das geschwisterliche Miteinander im täglichen Betrieb sein kann, mag schon allein eines der vielen Klingelschilder am Eingang verdeutlichen: Auch das russisch-orthodoxe Moskauer Patriarchat ist Mitglied – dessen Oberhaupt, Patriarch Kyrill I., Kanonen gegen das christliche Nachbarland Ukraine segnet und exquisite Beziehungen zum russischen Kriegsherrn Wladimir Putin unterhält. 2022 stellte eine Mitgliedskirche sogar einen Antrag auf Ausschluss der russisch-orthodoxen Kirche aus dem ÖRK.
„Wo stehen wir heute?“
Bei der ökumenischen Feier zum Jubiläum des Weltkirchenrates Ende Juni zeigte sich Bedford-Strohm nachdenklich: „Die Menschen haben sich 1948 in Amsterdam mit dem klaren Zweck versammelt, die Kirchen der Welt zusammenzuführen und sie zu einem Instrument des Friedens zu machen“, sagte er in seiner Predigt. „Wo stehen wir heute?“, fragte Bedford-Strohm. „Sind wir dem Amsterdamer Erbe gerecht geworden?“ Er wünschte sich, „die Antwort wäre ein eindeutiges Ja. Aber das ist nicht der Fall“.
Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., wurde als Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie und als Vertreter eines der Gründungsmitglieder noch konkreter. Die Einheit der Orthodoxie sei „mit der Invasion der Ukraine durch die Russische Föderation im Februar 2022 zutiefst verletzt“ worden.
Die katholische Kirche ist nicht Mitglied des ÖRK. 1965 wurde aber eine Arbeitsgruppe zwischen Vatikan und Weltkirchenrat gegründet. In wichtigen Kommissionen des ÖRK arbeiten katholische Theologen als Vollmitglieder mit. Generalsekretär Pillay lobte das vatikanische Engagement im Weltkirchenrat. Wenn die katholische Kirche auch nicht formell Mitglied sei, so verhalte sie sich doch wie eines. Das mache ihn froh. Im Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich hingegen ist die römisch-katholische Kirche Mitglied.
Alexander Brüggemann/Kathpress/Redaktion
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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