Ökumenischer Gottesdienst
Unter Gottes Himmel haben alle Platz

"Unter Gottes Himmel haben alle Platz" war das Motto des heurigen CSD-Gottesdienstes in der Grazer Heilandskirche - mit anschließender Möglichkeit zum Segen. | Foto: Neuhold
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  • "Unter Gottes Himmel haben alle Platz" war das Motto des heurigen CSD-Gottesdienstes in der Grazer Heilandskirche - mit anschließender Möglichkeit zum Segen.
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„Der CSD (Christopher Street Day) feiert die Befreiung aus diesem Gefühl des 'Nicht-normal-Seins'. Es ist normal, verschieden zu sein. Es ist normal, divers zu sein. Du bist
gewollt, du bist kostbar, Gott sieht dich, und Gott sieht deine Wunden. Gott
ist da in deinem Leben.“ Dieses Zitat aus der Predigt von Pfarrer Friedrich
Eckhardt macht deutlich, warum wir den CSD-Gottesdienst wieder gefeiert haben,
heuer zum dritten Mal ökumenisch: Wir sind noch auf dem Weg, als Gesellschaft, als
Kirchen, dass wir erkennen, dass es „normal“ ist, queer (nicht hetero-sexuell) zu sein.

Der Gottesdienst in der Grazer Heilandskirche wurde vom Regenbogenchor unter der Leitung von Zeljka Hrestak musikalisch gestaltet. Als sehr berührend empfanden
die Mitfeiernden die Möglichkeit, sich als Paar gegenseitig zu segnen oder als
Einzelperson einen Segen zu empfangen, sowie die sehr persönlichen Fürbitten,
bei denen einfach der Vorname der Person genannt wurde, für die man beten
wollte. Bei der anschließenden Agape gab es Raum für gute Gespräche und
Begegnungen.

Elisabeth Fritzl

Weiter Bilder finden Sie in der Galerie am Ende des Textes.

Lesen Sie hier die ganze Predigt zum CSD-Gottesdienst von Pfarrer Friedrich Eckhardt von der evangelischen Christuskirche Graz Eggenberg:

Jesus liebt Partys und Feste.
Das passt gut in diese Zeit.
Irgendwo ist grad immer ein Fest, und meistens draußen.

Anfang Juni habe ich eine richtig große Party mitgefeiert: Evangelischer
Kirchentag in Nürnberg.
Für mich war das: Spirituell aus dem Vollen schöpfen bei Gottesdiensten,
Gebeten und Konzerten,
liebe Menschen treffen und auch: Mich anstoßen lassen von deutlichen
Statements.
Da sagt Quinton Ceasar, ein schwarzer Theologe aus Südafrika und Pastor in Norddeutschland in seiner
Predigt zum Abschluss: "Wir, die lange diskriminiert wurden, wir trauen eurer Liebe nicht. Wir fühlen uns nicht sicher bei euch." Diese Predigt klingt in mir noch bis heute nach:

Eine Woche später eine Erfahrung der Ernüchterung mit meiner evangelischen
Kirche in Österreich:
Eine Projektgruppe in Wien hat aufgerufen evangelische AmtsträgerInnen sollen
sichtbar mit Talar auf der Regenbogenparaden teilnehmen ... Zwei Tage nach dieser Pressemeldung der Rückruf: Bitte ohne Talar - manche Kolleginnen waren mutig und haben einen Talar
getragen

Das hat mir gezeigt, dass wir nicht nur als Gesellschaft
sondern auch als Kirche noch lange nicht so weit sind,
wie ich es gerne hätte, wie es viele gerne hätten
… und wie es, glaube ich, auch Jesus gerne hätte.

„Gott ist queer“ – das war eine weitere Aussage in der Schlusspredigt beim
Kirchentag,
der zugleich ein spirituelles Fest und eine politische Zeitansage aus
christlichem Geist ist.

Und damit bin ich beim CSD in Graz.
Da geht es darum das queere sichtbar zu machen.
 
Queer ein englisches Wort und heißt so viel wie:
"quer", nicht normal, nicht passend.

Früher war das Wort "queer" eine Abwertung.
Heute verstehe ich es als Haltung:
Ich will gar nicht "normal" sein,
einer Norm folgen, die für mich gar nicht passt.

Ich will mein Leben so leben, wie ich bin,
wie Gott es ins Leben gerufen hat:

Ich selbst bin ein Mann, der Männer liebt.
Ich weiß, dass viele queere Menschen zu unseren Gemeinden gehören.
andere haben eine Nachbarin, die mit einer Frau verheiratet ist, einen Enkel,
der einen Mann liebt,
oder ein Patenkind, das sich im falschen Körper fühlt.

Queersein und Christentum
CSD und Kirchentag

Bei beiden Festen geht es um Themen,
die Menschen existenziell berühren.
beide Feste haben Botschaften,
wie die Gesellschaft gerechter, wie die Welt friedlicher… und wie die Menschen
und auch die Religionen menschlicher werden können.
Beide haben Rituale.
Und vor allem:

Beide Feste werden sichtbar auf der Straße gefeiert.
Aber es ist auch eine Spannung zwischen beiden Festen.

Jahrhundertelang hat man im Namen der Religion queere Menschen benachteiligt,
verfolgt, für sündig und falsch erklärt.
Die Kirchen und Religionen haben sich schuldig gemacht am Leben queerer
Menschen.
Und der CSD erinnert auch daran.

Queere Menschen, ihre Angehörigen und FreundInnen zeigen sich, erinnern an den
Weg der Befreiung aus Diskriminierung, erinnern an unterdrückte Geschwister in
aller Welt
feiern ihr Leben und ihre Gemeinschaft .

Und dabei: Der Regenbogen.

Gott schließt einen Bund mit den Menschen
und der Regenbogen sagt:
Die Farbe Deines ganz persönlichen Lebens
– sie gehört dazu.  
Du hast Platz unter dem Regenbogen!

Wie muss man sein, um dazuzugehören?
Zur Gesellschaft?
Zu den "Normalen" und Anerkannten?
Zu Gott, zu Jesus, zur Kirche,
zur Gemeinschaft beim Abendmahl?

Lukas 14, 16-23
Jesus erzählt das Gleichnis vom großen Abendmahl,
"Vom queeren Fest".
Der Gastgeber ist seltsam.
Erst lädt er die ein, denen es gut geht im Leben,
die sehr privilegiert sind - und die sagen ab.
Und dann, als Ersatzgäste,
lädt er die Armen und Benachteiligten ein.
Das einzige Gefühl, von dem Jesus erzählt, ist:
Zorn und Wut beim Gastgeber.

Ich glaube das steckt noch etwas Anderes:
Trauer, persönliche Enttäuschung,
eine Wunde, ein Schmerz, eine große Bedürftigkeit:

Sein bisheriges Leben und seine Privilegien haben ihn enttäuscht.
Wenn alle absagen wird dir bewusst: da tut was weg, tief in deinem Innersten.
Da tut etwas weh in dir, in deiner Seele,
da fehlt etwas in deinem Leben
– vielleicht schon sehr lang und sehr erfolgreich vergraben.

Privilegien haben heißt nicht – du bist ein glücklicher Mensch. Manchmal heißt
es einfach:
Du hast viele Möglichkeiten, dich abzulenken vom Schmerz und von der Sehnsucht
deines Lebens …

Du wächst in einer Welt auf,
die dir nicht von dir erzählt hat.
Du bist ein Kind,
das sich deine Eltern so erstmal nicht erträumt hatten.
Du wächst so auf, dass es normal ist,
dass nur Mann und Frau sich lieben und heiraten
und dann mal Kinder bekommen, so macht man das.

Diese Normalität bekommst du vorgelebt und weitererzählt.
Du lernst sie so imKindergarten, in der Schule
 – und auch in der Kirche.
Du empfindest anders, also hast du ein Problem.
Du bist nicht normal, so wie du empfindest.
Und in jeder queeren Biographie gibt es eine innere Nähe zu den Armen und
Ausgegrenzten,
zu denen, die sich nicht auf der Sonnenseite des Lebens fühlen.
Was normal ist…

Der CSD feiert die Befreiung aus diesem Gefühl des
"Nicht-normal-Seins"

Es ist normal, verschieden zu sein.
Es ist normal, divers zu sein.

Du bist gewollt, du bist kostbar,
Gott sieht dich, und Gott sieht deine Wunden.
Gott ist da in deinem Leben.
Diese Zusage gilt allen Heteras und Heteros
und allen queeren Menschen, jeder, jedem ganz persönlich.
Und diese ZusageGottes verbindet uns in all der Verschiedenheit,
wie wir leben, wie wir fühlen, wen wir lieben.

Durch Gottes Gnade bin ich was ich bin. I am what I am.
In dem Gleichnis ist Gott nicht der Gastgeber.
Gott ist der Gast, der noch nicht da ist.
Da ist noch Raum. Da ist noch Platz für Gott.

Und wenn du dir dein eigenes Leben als Party vorstellst:
dann kommt Gott, wenndu auch die einlädst,
die dir fremd sind, die anders sind als du,
die du zuerst nicht dabei haben wolltest:
Menschen, Gedanken, Gefühle, Lieben, Ideen,
Pläne fürs Leben….

Lass sie rein, auch wenn sie schräg sind.
Der Gast bringt Gott herein.
Und unter seinen Himmel haben alle Platz
Amen.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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