Pro Oriente
Tagung: Verletzte Erinnerungen heilen
Pro Oriente. Konferenz zur Rolle von Religionen in Konflikten.
Das Frieden und Versöhnung stiftende Potenzial des Evangeliums wird in zahlreichen Konfliktregionen von den Kirchen bisher nicht genügend gesellschaftlich fruchtbar gemacht. Das war der Tenor zum Auftakt der Pro-Oriente-Konferenz „Healing of Wounded Memories“ (Verletzte Erinnerungen heilen) von 9. bis 11. November in Wien.
Rund 50 Teilnehmende aus ganz Europa, ebenso aus den USA und dem Nahen Osten waren zur Tagung gekommen. Konkrete geopolitische Konfliktfelder wurden in den Blick genommen: Südosteuropa, Osteuropa mit dem Schwerpunkt Ukraine und der Nahe Osten. Die Bedeutung kollektiver Geschichtsbilder und Traumata in diesen und anderen Konflikten wurde ebenso beleuchtet wie theologische und ökumenische Grundlagen von Vergebung und Versöhnung.
Zusammen für eine menschlichere Welt
Pro Oriente will jene Kräfte in Kirche und Gesellschaft stärken, die sich für Versöhnung in ihren Ländern einsetzen, hielt Pro-Oriente-Präsident Alfons Kloss in seinem Grußwort fest. Kloss hielt wörtlich fest: „Wir mögen nicht alle Antworten auf die drängenden theologischen Fragen rund um Krieg und Frieden haben, aber wir werden nicht müde, eng zusammenzuarbeiten mit unseren Brüdern und Schwestern für eine menschlichere Welt.“ Diese Konferenz sei der Beginn einer ökumenischen Reise in den nächsten Jahren.
Die orthodoxe Theologin Ekaterini Pekridou, die für die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) arbeitet, der griechisch-katholische Theologe Pavlo Smytsnyuk aus der Ukraine und der libanesische orthodoxe Theologe und leitende Weltkirchenrats-Mitarbeiter Michel Nseir eröffneten die Konferenz mit Reflexionen zu konkreten Erfahrungen ökumenischer Institutionen mit gelungenen und gescheiterten Versöhnungsprozessen.
Versöhnung steht am Ende
So wurde bei den Ausführungen der Referentinnen und Referenten, aber auch anderer Teilnehmender in der anschließenden Diskussion rasch deutlich, dass Vergebung und Versöhnung erst am Ende eines langen Prozesses stehen könnten. „Solange die Wunde noch offen ist – wie kann es da Versöhnung geben?“, brachte es etwa Nseir auf den Punkt. Man müsse auch stets betonen, so Smytsnyuk, „dass Vergeben nicht Vergessen bedeutet“.
Auch das Verhältnis zwischen den Kirchen und politischen Machthabern in Geschichte und Gegenwart wurde analysiert. Dabei wurde vor der Gefahr der Instrumentalisierung der Kirchen zur Legitimation von staatlichem Handeln gewarnt. Pekridou kritisierte zum einen die Position des Moskauer Patriarchen Kyrill, der den Angriff Russlands auf die Ukraine legitimiere und überhöhe, zum anderen zeigte sie sich auch enttäuscht über innerorthodoxe Verwerfungen, die auch Einfluss auf die ökumenische Zusammenarbeit hätten.
Angesprochen wurden vor allem von Pavlo Smytsnyuk auch einige theoretische Fragen: Wer kann überhaupt vergeben? Kann Vergebung eingefordert werden? Kann im Namen anderer vergeben werden? Gibt es so etwas wie kollektive Schuld und infolge dessen auch kollektive Vergebung?
Als positives Beispiel, bei dem die Kirchen gemeinsam zu Versöhnung beitragen konnten, wurde Südafrika nach dem Ende der Apartheid genannt. Ein großes Thema bei der Konferenz war auch der zunehmende Relevanzverlust des Völkerrechts. Als ein großes Hindernis für Versöhnung identifizierte unter anderen Pekridou zudem ungerechte gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Strukturen.
QUELLE: KATHPRESS
Infos: www.pro-oriente.at/projekte/healing-of-wounded-memories
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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