Weltkirche
Systematisch versagt
McCarrick-Report. Vatikanischer Bericht über US-Kardinal als Missbrauchstäter schockiert.
Wir veröffentlichen diesen Bericht mit großem Schmerz über die Wunden, die diese Geschichte den Opfern, ihren Angehörigen, der Kirche in den Vereinigten Staaten und der Universalkirche zugefügt hat.“ So äußert sich Kardinalstaatssekretär Paolin in einem Begleitbrief zum 460 Seiten umfassenden Bericht, den der Vatikan zum „Fall McCarrick“ veröffentlicht hat. In diesem Bericht geht es um die Frage, wie der heute 90-jährige Theodore McCarrick, inzwischen seiner geistlichen Ämter enthoben, bis zum Erzbischof von Washington und Kardinal aufsteigen konnte, obwohl seit den 1990er Jahren Anschuldigungen von schwerstem moralischem Fehlverhalten, unter anderem sexueller Missbrauch im Umgang mit Seminaristen, aufgetaucht waren.
Theodore McCarrick kommt als irischstämmiges Arbeiterkind aus einfachen Verhältnissen. Schon in seiner Zeit als Erzbischof von Newark gab es, meist in einem Strandhaus in New Jersey, immer wieder Übergriffe auf Seminaristen und Geistliche. Den Gerüchten da-rüber wurde an den entscheidenden Stellen nicht geglaubt. McCarrick war von 2001 bis 2006 Erzbischof von Washington und wurde zum Kardinal ernannt. Spitzenpolitiker suchten seinen Rat. Er vermittelte auch in den Geheimverhandungen zwischen Präsident Barack Obama und dem kubanischen Diktator Raoul Castro um die Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Um so tiefer war sein Fall, als Missbrauchsskandale in der Kirche der USA endlich aufgearbeitet wurden.
Es seien „Entscheidungen getroffen worden, die sich später als falsch herausgestellt haben, auch weil nicht immer alle Beteiligten alles sagten, was sie wussten“, heißt es in einem Kommentar von „Vatican News“-Chefredakteur Andrea Tornielli. Vor der geplanten Ernennung McCarricks zum Erzbischof von Washington lagen zwar keine Beweise vor. Doch wegen allgemeiner Gerüchte rieten der damalige Nuntius Montalvo und der Leiter der Vatikanischen Bischofskongregation Kardinal Re von dieser Ernennung ab. Als McCarrick in einem persönlichen Brief an den päpstlichen Privatsekretär Dziwisz beteuerte, niemals sexuelle Beziehungen zu welcher Person auch immer gehabt zu haben, hat ihm Papst Johannes Paul II. geglaubt. Dies sei, so der Bericht, wohl auch dem Umstand geschuldet, dass der Papst aus seiner Zeit im kommunistischen Polen viele Fälle von Verleumdungen gegen Kleriker kannte.
Als 2005 neue Beschuldigungen auftauchten, forderte Papst Benedikt XVI. seinen Rücktritt. Die Kurie eröffnete aber kein offizielles Verfahren. Erst als im Sommer 2017 erstmals Beschuldigungen wegen Missbrauchs eines Minderjährigen vorlagen, leitete der Vatikan ein Verfahren ein. Im Juli 2018 wurde McCarrick aus dem Kardinalsstand, ein halbes Jahr später von Papst Franziskus aus dem Klerikerstand überhaupt entlassen. McCarrick zeigt keine wirkliche Einsicht.
Sein Fall, der systematisches Versagen der kirchlichen Verantwortlichen offenlegt, hat wesentlich zu verschärften Maßnahmen des Vatikans gegen Missbrauch und Vertuschung geführt. Der Kinderschutzexperte Hans Zollner fordert Konsequenzen für die Auswahl von Bischofskandidaten. Und: „Ohne den Mut und die Hartnäckigkeit der Opfer gäbe es diesen Bericht gar nicht.“
kathpress
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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