Sommerstudientag

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Schloss Seggau. „Wir stehen selbst enttäuscht und sehen betroffen den Vorhang zu und alle Fragen offen“ (Bert Brecht). Die wissenschaftlichen Nachweise für die menschenverursachte Klimakrise sind nicht mehr bestreitbar, die Sorge um die wirklichen Bedürfnisse der Menschen und der Schöpfung ist in der Wirtschaft vielerorts abhanden gekommen, und eine gerechte Kirche, die echte Teilhabe und die Vielstimmigkeit innerhalb ihres Kreises ernst nimmt – ist das überhaupt möglich? Bertolt Brechts Zitat bringt die Stimmung im Kongresssaal auf den Punkt: 62 betroffene Gesichter, ratloses Kopfschütteln, unbehagliches Murmeln zieht sich durch die Reihen. Aber die Tagung brachte die Frauen ins Gespräch und ins Tun.

Unrecht trifft Frauen stärker

Gerechtigkeit.Gemeinsam.Gestalten. Sommerstudientagung der Katholischen Frauenbewegung Österreichs auf Schloss Seggau.

Das friedliche Zusammenleben von Menschen basiert auf gerechten Strukturen in Lebensbereichen. Wo es an Gerechtigkeit mangelt, geraten Menschen aus dem Gleichgewicht, gehen Lebenschancen verloren, entstehen Konflikte bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Alle sind sich einig: Überall, wo Unrechtsstrukturen wirksam sind, sind vor allem Frauen aufgrund ihres Geschlechts noch einmal stärker betroffen.
Mit dieser nüchternen Erkenntnis startete die Sommerstudientagung der Katholischen Frauenbewegung Österreichs. 62 Frauen aus allen Diözesen trafen sich von 26. bis 29. Juli auf Schloss Seggau in der Südsteiermark, um gemeinsam Gerechtigkeit zu gestalten.

Gerecht zur Welt. Inhaltlich und methodisch bot die Tagung zum Thema Gemeinsam.Gerechtigkeit.Gestalten. eine bunte Mischung: Wie es sich anfühlt, wenn Klimawandel wie ein Spiel mit gezinkten Würfeln wirkt, konnten die Frauen im Workshop zu Klimagerechtigkeit spürbar selbst erfahren. Für die Wahl der Inhalte zum Thema „Eine gerechte Kirche?!“ waren die Teilnehmerinnen teilweise selber verantwortlich. Gar nicht so leicht, sich für das eine oder andere zu entscheiden und auch noch die Bedürfnisse und Wünsche der anderen zu berücksichtigen. Wer fängt an, wie stimmen wir ab, wie wählen wir aus? Und dennoch oder gerade wegen dieser Erfahrung waren die Ideen zu einer gerechten Kirchenstruktur bunt und vielfältig: wie ein Kaleidoskop, ein Mobile aus mehreren Teilen, das immer in Balance bleibt, oder wie ein singender Chor.
Auch mit der Frage „Was bedeutet ‚Wirtschaft ist CARE?‘“ haben sich die Frauen intensiv auseinandergesetzt Viele Menschen tragen täglich dazu bei, dass wir gut leben können. Die Krankenschwester, der Altenpfleger, die Supermarktangestellten, aber auch der Lokführer und der Dachdecker? Da waren sich die Frauen nicht mehr so einig. Klar ist: Erwerbs- und Sorgearbeit müssen fairer verteilt werden, alles andere ist nicht gerecht.

Von Ratlosigkeit ins Tun. So schön Brecht Ratlosigkeit und Ohnmacht lyrisch beschreiben kann, so rasch kommen kfb-Frauen von Ratlosigkeit und Ohnmacht ins Tun. Gestärkt durch neues Wissen, geteilte Erfahrungen, Austausch und lebensnahe Liturgien in vielfältigen Formen, entstanden neue Ideen und Projekte, mit denen sie sich als Multiplikatorinnen für ein gutes Leben für alle weiterhin einsetzen wollen.

Bernadette Weber

Stimmen

Die Vorsitzenden Angelika Ritter-Grepl von der Katholischen Frauenbewegung Österreichs (links) und Lydia Lieskonig von der Katholischen Frauenbewegung Steiermark. | Foto: Plankensteiner
  • Die Vorsitzenden Angelika Ritter-Grepl von der Katholischen Frauenbewegung Österreichs (links) und Lydia Lieskonig von der Katholischen Frauenbewegung Steiermark.
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„Einen neuen Kuchen backen“

Es gehe heute nicht um Verteilungsgerechtigkeit im Sinne von „Wir wollen die Hälfte vom Kuchen“, erklärte die KFBÖ-Vorsitzende Angelika Ritter-Grepl bei der Eröffnung der Sommerstudientagung auf Schloss Seggau. „Wir wollen einen neuen Kuchen backen“, eine „neue Definition von Gerechtigkeit jenseits alter patriarchaler Muster und Wirtschaftslogiken.“

Für „bitter nötig“ hält die KFBÖ-Vorsitzende eine Umkehr bezüglich Geschlechtergerechtigkeit in der römisch-katholischen Kirche. Der weltweite Synodale Prozess sei dafür Herausforderung und Hoffnung zugleich. Das Diakonat für Frauen liege auf der Hand, meinte Ritter-Grepl in einem Interview mit der „Kronen Zeitung“ und verwies etwa auf die Begräbnisleiterinnen.

„Dass die geistlichen Herrn jetzt die Frauen entdecken, kommt sicher auch daher, dass so viele die Kirche verlassen“, meinte die steirische KFB-Vorsitzende Lydia Lieskonig im „Krone“-Interview. Weggehen ändere aber nichts an der Struktur der Kirche. Und Mitglied zu bleiben bedeute nicht, unkritisch zu sein.
An der Tagung nahmen auch die altkatholische Bischöfin Maria Kubin und die steirische Landesrätin Juliane Bogner-Strauß teil. Bischof Wilhelm Krautwaschl schickte eine Videobotschaft. Er wünschte den Frauen, in ihren Diözesen ins Gestalten zu kommen und dabei erfolgreich zu sein.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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