Brasilien
Momentan unbeliebt
So viel Angst und Gewalt im Alltag herrsche in Brasilien durch „Agroindustrie“, diagnostizieren zwei Gäste von Welthaus in Graz.
Unser Planet zeige uns schon, dass wir in einer Krise stehen. Nicht nur die Klimakrise sei in aller Munde, sondern auch die menschliche, „wie wir miteinander umgehen“, bemerkt Renata Costa Cezar de Albuquerque. Hunger und Krieg erwähnt die Brasilianerin, und es sei unsere Pflicht, darüber zu diskutieren und Lösungen zu suchen. Die „Sensibilisierung im Umgang mit der Erde“ sei die zentrale Botschaft, bekräftigt José Plácido Da Silva Junior. Es gebe landwirtschaftliche Modelle, welche die Natur und den Menschen als Gegenstand betrachten und zerstören. Alternative Modelle haben die Zusammenarbeit mit der Natur als Ziel. Wir haben „ein gemeinsames Zuhause, das ist die Erde“.
Beide Gäste von Welthaus arbeiten im Nordosten Brasiliens, im Bundesland Pernambuco, in der Kommission für Landpastoral (CPT, Comissão Pastoral da Terra). Sie besteht seit 1975 in ganz Brasilien. Eines ihrer Ziele ist, Dörfer und Gemeinschaften in Konflikten zu begleiten. Jedes Jahr erscheine ein „Konflikte-Heft“, berichten Renata und José. Seit 1985 seien 35.000 Konflikte auf dem Land dokumentiert worden, auch in den Einzelheiten beschrieben. Das Buch „Landkonflikte in Brasilien 2018“ vermerke etwa eine Million Opfer von Gewalt am Land, bei 209 Millionen Einwohnern. Die Gründe für die Gewalt seien „sehr alt und tief“, seien „strukturell“, untersuchte der promovierte Geograf José in seiner Doktorarbeit. Das Problem sei auch während der Herrschaft von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva und der Arbeiterpartei bestehen geblieben.
„Weniger kriminalisiert“ sei die Arbeit der Landpastoral und anderer Nichtregierungsorganisationen allerdings unter Präsident Lula worden, blickt José zurück. Mehr Dialog habe es gegeben. Doch an die große Aufgabe, durch eine Agrarreform „das ganze Land neu zu verteilen“, habe sich kein Präsident gewagt. Momentan werde die Arbeit der CPT „überhaupt nicht gern gesehen“. Jair Bolsonaro meine, „die machen nur Unruhe“. Organisationen, die sich für die Menschenrechte am Land und für kleine Bauern einsetzen, habe der gegenwärtige Präsident „als seine größten Feinde auserkoren“. Die neue Regierung habe ein Gesetz verabschiedet, dass „Großgrundbesitzer Waffen besitzen dürfen“. Das Beispiel zeige, „in welche Richtung wir uns bewegen“.
Am Entwicklungsmodell von großen Projekten, welche die Umwelt zerstören, haben auch Linksregierungen nicht gerüttelt, bedauern José und Renata. Beide sind sich auch einig, im Alltag der Brasilianerinnen und Brasilianer sei „Umweltbewusstsein nicht wirklich ein Thema“. Nur sehr langsam komme die Sorge um die Gesundheit und das Klima voran, „anders als in Österreich“.
Die großen Waldbrände in Amazonien nennt Renata Costa Cezar de Albuquerque, von Beruf Kommunikationswissenschafterin, „ein Zeichen der Nicht-Tätigkeit der Regierung beim Umweltschutz“. Die Brände dienen hauptsächlich der Monokultur; Regenwald-Raum werde für die Agroindustrie gewonnen. José Plácido Da Silva Junior erwähnt eine jüngste Erdölkatastrophe, ein „Verbrechen“, durch das viel Wasser verseucht worden sei, als Zeichen: „Was Umweltschutz betrifft, sind wir nicht auf dem richtigen Weg.“
JOHANN A. BAUER
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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