Weltkirche

Kein Einzelfall

Migration. Als Jugendlicher geflüchtet, heute Weihbischof – Arjan Dodaj im Interview.

Zur umfassenden Hilfe für Flüchtlinge und Migranten hat der katholische Weihbischof von Tirana/Albanien, Arjan Dodaj, aufgerufen. Menschen, die ihre Heimat verlassen müssten, bräuchten Aufnahme, Teilhabe an der Gesellschaft und Möglichkeiten einer freien Lebensgestaltung, forderte der 44-jährige albanische Geistliche, der als Jugendlicher selbst im Boot über das Mittelmeer geflüchtet war und vor einem Jahr zum Bischof geweiht wurde. Die christlichen Kirchen hätten den Auftrag, allen Notleidenden ein „barmherziger Samariter“ zu sein, Migranten als „Hoffnungsträger“ zu sehen und auf eine Politik zu pochen, die deren Wohl fördere, so der Bischof im Kathpress-Interview.

Begegnung mit Christus ermöglichen
Dodaj berichtete, er habe bei seiner Flucht als 16-Jähriger große Hoffnungen auf das westliche Europa gesetzt, „auf Werte wie Freiheit, Wahrheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, die in der Wurzel christlich sind, wie ich später erkannte“. In der kommunistischen Diktatur Albaniens seien zuvor Hoffnungsträger und Menschrechtsverteidiger eliminiert worden, allen voran der Klerus. Um Geflüchteten zum „Leben in Fülle“ zu verhelfen, müsse ihnen die Kirche zusätzlich zu materieller und sozialer Hilfe auch geistlich beistehen und eine „Begegnung mit Christus ermöglichen“.
Ihm selbst sei dieses Glück zuteil geworden, sagte der Bischof, der nach seiner Ankunft in Italien als Schweißer und Gärtner arbeitete und zu einer katholischen Jugendgruppe eingeladen wurde. Dort kam er erstmals mit dem christlichen Glauben in Kontakt, ließ sich taufen und entwickelte den Wunsch, Priester zu werden. Seine Geschichte sei kein Einzelfall, betonte Dodaj. „Viele glaubenslos aufgewachsene Albaner haben in den Ländern, in die sie ausgewandert sind, Christus kennen gelernt und sind nun begierig auf die Sakramente.“ Ausdruck dafür sei die hohe Anzahl von Erwachsenentaufen, von denen es heuer zu Ostern allein in Tiranas Kathedrale 60 gab. Die Kirche in seinem Land wachse rapide, „der Glaube ist sehr lebendig“.

Gegen einen neuen Kolonialismus
Nicht nur für die katholische Kirche in Albanien sind zurückgekehrte Migranten nach den Worten des Bischofs ein „Geschenk“, sondern für die gesamte Gesellschaft: „Wenn Migranten im Ausland Fähigkeiten erworben haben, mit denen sie dann später daheim bessere Lebensbedingungen schaffen, werden sie zu Hoffnungsträgern.“ Vielerorts sei es so, dass reiche Länder den ärmeren Ländern die Hoffnung gestohlen hätten. Etwa, so Dodaj, „wenn Konzerne die Rechte und Würde der Arbeitnehmer in den Erzeugerländern missachten, um ihre Produkte möglichst billig zu verkaufen“. Ein „neuer Kolonialismus“ sei hier im Gang.
Albanien sei heute weiterhin mit dem Flüchtlingsthema beschäftigt, betonte der Weihbischof. Viele Menschen aus kriegführenden Ländern hätten sich dort und in anderen Ländern der Westbalkanroute niedergelassen, wobei kirchliche Hilfsorganisationen wie die Caritas viel für die Versorgung leisten. „Heute darf Europa die vielen Menschen im Nahen Osten nicht vergessen, für die Emigration und das Flüchtlingsschicksal inzwischen schon zu einem Dauerzustand geworden sind“, appellierte Dodaj.

KATHPRESS