Alianza-Projekt
In Kontakt mit der Natur

Am Biobauernhof Michlbauer der Familie Holzer in Neuberg an der Mürz gab es für die argentinische Delegation Einblicke in einen bio- und Styria-Beef-zertifizierten Betrieb. | Foto: Zerche
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  • Am Biobauernhof Michlbauer der Familie Holzer in Neuberg an der Mürz gab es für die argentinische Delegation Einblicke in einen bio- und Styria-Beef-zertifizierten Betrieb.
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Die familiäre Landwirtschaft steht im Mittelpunkt vom Projekt „Alianza Österreich – Argentinien“. Ein Hintergrundgespräch mit argentinischen Gästen lieferte Einblicke.

Alle Journalistinnen und Journalisten hätten bisher nur nach den Unterschieden zwischen Argentinien und Österreich gefragt, platzt es förmlich aus Tato heraus, als die Dolmetscherin meine erste Frage ins Spanische übersetzt. „Doch wir sind hier, um Gemeinsamkeiten zu finden! Mit dem Willen, das zu reparieren, was gerade kaputt geht“, setzt er nach. Tato, der eigentlich Juan Carlos Figueredo heißt, ist Mitarbeiter bei INCUPO und kämpft seit vielen Jahren in Argentinien für das Überleben familiärer Landwirtschaften.

Argentinien ist eines der führenden Exportländer für Fleisch und Ölsaaten wie Soja. Die exportierten Mengen werden vorwiegend in industrieller Landwirtschaft auf den riesigen Flächen der Großgrundbesitzer angebaut. Genmanipuliertes Saatgut und Pestizide für einen möglichst hohen Ertrag stehen an der Tagesordnung. Tato beschreibt den problematischen Kreislauf: Für die großen Anbauflächen werden Regenwälder abgeholzt, was das Klima aus dem Gleichgewicht bringt. Die giftigen Spritzmittel verschmutzen das Wasser und verunreinigen die Lebensmittel. Außerdem werden Kleinbauern und Indigene um ihr Land gebracht und in die Armut getrieben. All das „stört das Projekt Gottes“, wie Tato unsere Welt, die Umwelt, ja die ganze Schöpfung liebevoll bezeichnet.

Beten allein ist nicht genug
Die Argentinierin Emilse Luna erzählt von ihren Großeltern, die einen Bauernhof bewirtschaften: „Egal was sie tun, ob sie säen oder ernten, sie beten zu Gott, dass es gelingen möge“. Doch Beten allein ist nicht genug. Darum engagiert sich Emilse beim Alianza-Projekt. „Wir können so viel voneinander lernen“, ist sie überzeugt. Familiäre Landwirtschaft liefere, im Gegensatz zur industriellen, gesunde Lebensmittel und produziere in naturnaher Kreislaufwirtschaft, erklärt Tato. Fisch, Obst, Gemüse, Fleisch und Feldfrüchte werden dort produziert, wo es die Natur zulässt. Doch auch das ändert sich. Der Klimawandel ist deutlich zu spüren und macht den Bauern und Bäuerinnen in Argentinien bereits zu schaffen.

Landwirtschaft ist mehr
Auf die Frage, ob familiäre Landwirtschaft Zukunft habe, antwortet Margret Moser vom Welthaus Graz reflexartig: „Gibt es eine Zukunft ohne familiäre Landwirtschaft?“ Und Tato und Emilse nicken energisch. Landwirtschaft, auf Spanisch „agricultura“, sei mehr als die Bewirtschaftung von Land und die Produktion von Lebensmitteln. Es sei eine Kultur, erklärt Emilse. In der familiären Landwirtschaft werden Werte, wie die Beziehung von Mensch und Natur, gelebt und vermittelt.In Österreich spüre Emilse ein anderes Bewusstsein für diese Art von Landwirtschaft. Viele Ideen für Produktveredelung und Ab-Hof-Verkauf nehme sie mit nach Hause.

Eine Gemeinsamkeit zwischen landwirtschaftlichen Betrieben hier und in ihrer Heimat haben Tato und Emilse schon gefunden: Auf jedem Hof gibt es „eine Ecke für Heilige“ – Herrgottswinkel, Marterl oder Kapellen. Auch in Argentinien. „Wer mit der Natur in Kontakt ist, um zu produzieren, ist auch in Kontakt mit Gott“, ist Tato überzeugt.

Katharina Grager

ZUM PROJEKT Alianza

Auf beiden Seiten des Atlantiks

Das Projekt „Alianza Österreich – Argentinien“ wurde von Welthaus Graz zusammen mit der argentinischen Partnerorganisation INCUPO ins Leben gerufen. INCUPO ist eine Nicht-Regierungs-Organisation, die seit 50 Jahren in Argentinien im Sektor Familiäre Landwirtschaft tätig ist. Das zentrale Anliegen des Alianza-Projekts ist die Stärkung der familiären Landwirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks nach dem Motto „Gemeinsam für eine zukunftsfähige Landwirtschaft“.

Das Projekt erstreckt sich über drei Jahre (2022–2025) und umfasst verschiedene Etappen. Nach einem ersten Austausch- und Vernetzungstreffen der teilnehmenden Landwirtinnen und Landwirte aus der Steiermark reisten elf Bäuerinnen und Bauern mit drei MitarbeiterInnen von Welthaus Graz nach Argentinien, um dort landwirtschaftliche Betriebe zu besuchen. Wir berichteten in Ausgabe 48 vom 4.12.2022 - hier nachlesen

Im April 2023 folgte der Gegenbesuch: Eine Delegation von Bäuerinnen und Bauern aus Argentinien kam nach Österreich. Auf dem Programm standen u. a. zahlreiche Besuche von landwirtschaftlichen Betrieben (Schweinemast, Rinderzucht, Geflügelhaltung), eine Führung in der landwirtschaftlichen Forschungseinrichtung Raumberg-Gumpenstein, ein Treffen mit Bischof Wilhelm Krautwaschl, ein Austausch mit dem Landwirtschaftskammer-Präsidenten Franz Titschenbacher und eine Abschlussveranstaltung mit Klimaministerin Leonore Gewessler in Wien.

Die Ziele des Alianza-Projektes:

  • Globale Zusammenhänge und Abhängigkeiten aufzeigen
  • Erfahrungsaustausch zwischen Bauern und Bäuerinnen ermöglichen
  • Neue Methoden und nachhaltige Betriebsweisen bekannt machen
  • Starke Argumente für den Kauf regional erzeugter Produkte entwickeln
  • Ein wertschätzendes Bild der familiären Landwirtschaft vermitteln
  • Gegenüber der Politik Rahmenbedingungen für eine nachhaltige tierische Produktion einfordern.

Weitere Informationen zum Projekt auf graz.welthaus.at/alianza

Gemeinsamkeiten

Was ein Rinderbauer aus Argentinien und ein Bergbauer aus der Weststeiermark gemeinsam haben.

Aníbal Frete wohnt in der Provinz Chaco im Norden von Argentinien und Alois Kiegerl in Trahütten im Süden von Österreich. Beide besitzen 26 Mutterkühe, und beide sind Rinderbauern aus Leidenschaft. Beide wohnen nicht unbedingt in Gunstlagen. Beide machen sich viele Gedanken über die Zukunft der Rinderhaltung. Beide glauben, dass sie durch die Kreislaufwirtschaft mit ihren Rindern einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz und zur Produktion von wertvollen Lebensmitteln leisten können. Kein Wunder, dass sie sich schon auf Anhieb, trotz der großen sprachlichen Barriere, blendend verstanden haben. Der Google-Übersetzer und die Dolmetscher vom Alianza-Projekt machten das möglich!

Der weststeirische Rinderbauer Alois Kiegerl berichtet vom Argentinien-Besuch der österreichischen Bauern: „Das eine muss unbedingt gesagt werden: Die Intensität der Probleme ist in Argentinien eine ganz andere. Während bei uns doch das meiste lösbar erscheint, waren wir bei manchen Dingen dort ziemlich ratlos, und das stimmte uns traurig. Zum Beispiel wenn Brunnen benachbarter Bewohner und Schulen durch unkontrollierte Ausbringung von Pestiziden durch die industrielle Landwirtschaft vergiftet werden. Oder der Umstand, dass aufgrund der andauernden Trockenheit heuer bereits wieder etliche Tiere verendet auf den Weiden lagen. Und wenn es dann einmal regnet, verwandeln sich die unbefestigten Wege zwischen Dörfern, Schulen in unbefahrbare Gatschpisten. Der Klimawandel ist deutlich spürbar, die Ausbreitung der Großgrundbesitzer gefährlich.

Auch die unglaubliche Weite des Landes – Argentinien ist 33-mal so groß wie Österreich – lernten wir kennen. In Summe legten wir in diesen zwei Wochen über 1600 km zurück und besuchten 14 Betriebe und Organisationen. Am Ende der Reise formulierten wir gemeinsam die Erklärung von Buenos Aires, die wir auch gemeinsam am Sitz der Argentinischen Bischofskonferenz verlasen. Sie ist uns eine Herzensangelegenheit, denn sie enthält Dinge, die wir verändern können. Und diese gibt es! Ein großartiges Zwischenergebnis ist zum Beispiel, dass ein teilnehmender Landwirt inzwischen kein importiertes, sondern nur mehr europäisches, gentechnikfreies Soja an seine Schweine verfüttert. Gemeinsam werden wir mit dem Team vom Alianza-Projekt an weiteren Möglichkeiten arbeiten, denn wie meine Frau Alexandra im argentinischen Fernsehen sagte: ‚Die familiäre Landwirtschaft ist eigentlich der einzig richtige Weg, um sehr viele Probleme, die wir heutzutage haben – Klimawandel, Welternährung usw. – gut meistern zu können.‘“

Mit einem Bandltanz wurden argentinische Bäuerinnen und Bauern von der Landjugend Preding-Zwaring-Pöls willkommen geheißen.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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