Hilfe für die Vergessenen

Das idyllische Winterwetter trügt. Bei Kälte und Schnee hausen Geflüchtete unter Planen in Wäldern oder in Kriegsruinen und Abbruchhäusern in Bosnien-Herzegowina. Die Caritas und Mutter-Teresa-Schwestern versorgen die Menschen, auf die Europa vergisst. | Foto: Caritas/Riha-Fink 2021
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  • Das idyllische Winterwetter trügt. Bei Kälte und Schnee hausen Geflüchtete unter Planen in Wäldern oder in Kriegsruinen und Abbruchhäusern in Bosnien-Herzegowina. Die Caritas und Mutter-Teresa-Schwestern versorgen die Menschen, auf die Europa vergisst.
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Bosnien-Herzegowina. Vier Autostunden von Graz hausen Geflüchtete in Wäldern und Kriegsruinen. Die Caritas und ein Schwestern-Orden versorgen die Vergessenen.

Nothilfe für Geflüchtete
Seit der Schließung des Camps Lipa nahe der Stadt Bihac in Bosnien-Herzegowina
sind mehr als 2000 geflüchtete Menschen im Land obdachlos. Die Caritas Österreich hilft vor Ort
.

Schnee, Gestrüpp und Matsch bis zu den Knöcheln. Schwester Therése stoppt das Auto, das sich den Weg über das Schneefeld bahnt. „Von hier aus gehen wir zu Fuß“, sagt uns die Ordensfrau aus Pakistan. Wir steigen aus und stapfen querfeldein durch weichen Schnee. Die Sonne scheint, ein schöner Wintertag, denke ich, und konzentriere mich auf Schwester Marys Schritte vor mir. Ihr blütenweißer Sari mit blauem Saum erinnert unweigerlich an die Ordensgründerin Mutter Teresa, die keine 800 Kilometer von hier zur Welt gekommen ist. Wie die gebürtige Albanerin, so versorgen ihre Mitschwestern heute auch in Bosnien-Herzegowina Menschen, die nichts und niemanden mehr haben: Obdachlose, Alte und Menschen auf der Flucht.

Unter Plastikplanen im Wald
Nach zehn Minuten durch den Schnee kommen uns zwei junge Männer entgegen und helfen dabei, den Bach zu überqueren. Jetzt stehen wir vor ihren Behausungen: Plastikplanen, gewickelt um Bäume und um Sträucher, darunter fünf Männer, die uns freundlich grüßen. In einer Autofelge knistert Feuer, Milch kocht in einem rußschwarzen Topf, man bietet uns Platz an auf der einzigen Bank, über die eine gefaltete Decke gebreitet ist. „Danke für euren Besuch, er bringt ein bisschen Abwechslung“, sagt einer, reicht Tee in Plastikbechern und öffnet eine Packung Kekse. Die Wärme tut gut, und ich geniere mich ein wenig, dass Flüchtlinge mich bewirten.
Hier, unter diesen Plastikplanen, spüre ich Zusammenhalt. Besonders um einen aus ihrer Mitte kümmert sich die Gruppe. Er sitzt nur da und starrt mit leeren Augen in die Flammen. Ich versuche, mir nicht auszumalen, woher sein Trauma kommen mag, und trinke weiter meinen Tee. Fünf Jahre lang habe er als Soldat gekämpft und sei nur knapp dem Tod entronnen, sagt einer der Männer zu meiner Caritas-Kollegin, die fragt, warum er Islamabad verlassen habe. Der 25-Jährige hebt seinen Kopf und zeigt auf eine wulstige Narbe knapp über seiner Kehle.
Kriegserfahrung von Kindesbeinen an, rechne ich nach. Sein Ziel: Italien, wo er arbeiten möchte und wohin er von hier aufbricht, sobald der Schnee geschmolzen ist. Da unterbricht ein Hundebaby das Gespräch und tapst wackelig um unsere Füße. „Wir haben zwölf davon“, lacht der Mann und erzählt, dass einige Hunde hierher ihre Jungen bringen würden. „Wir versorgen alle“, meint er achselzuckend. „Den Hunden geht es nämlich nicht viel anders als uns Migranten. Alle sind wir darauf angewiesen, dass jemand uns zu essen gibt.“

Traumatisiert und alleingelassen
In Bosnien-Herzegowina leben laut Flüchtlingshilfswerk UNHCR neben einigen tausend Menschen in Flüchtlingsunterkünften auch mehr als 1000 Kinder und Erwachsene in Abbruchhäusern, Kriegsruinen oder im Wald. Für viele sind die Mutter-Teresa-Schwestern die Einzigen, die Essen bringen, Medikamente oder Kleidung.
Ob sie sich ihr Ordensleben einmal so vorgestellt habe, frage ich Schwester Mary, als wir wieder im Auto sitzen. „Wenn du verliebt bist und heiratest, denkst du auch nicht daran, wie deine Ehe einmal sein wird, nicht wahr?“, antwortet die Nigerianerin mit einer Gegenfrage. „Du bist einfach voll Vorfreude, voll Zuversicht und voller Liebe.“

Anna Maria Steiner

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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