Äthiopien
Friedenshoffnung enttäuscht
Ein Land in der Krise. „Kirche in Not“ berichtet über einen Missionar, der die Kämpfe und die Fluchtbewegungen am eigenen Leib erfahren musste.
Die Kämpfe um die äthiopische Krisenregion Tigray eskalieren: Ein Missionar, der sich mit weiteren Priestern um Geflohene kümmert, berichtete dem internationalen Hilfswerk „Kirche in Not“ von einer einsetzenden Massenflucht. Ein Jahr nach Ausbruch des blutigen Konflikts im Norden Äthiopiens greifen die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und den Anhängern der „Tigray‘s People Liberation Front“ (TPLF) auf andere Landesteile über.
Viel Leid gesehen
Der Informant, dessen Namen „Kirche in Not“ aus Sicherheitsgründen nicht bekannt gibt, lebte bis Ende Oktober in der Stadt Kombolcha in Amhara, etwa 380 Kilometer nördlich der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. Er und seine Priesterkollegen kümmerten sich um etliche der 4000 Geflohenen aus Tigray und hätten „viel Leid gesehen“. Sie linderten es mit Lebensmitteln, Decken und Wasser, freilich sei die Hilfe „nur ein Tropfen auf den heißen Stein“ gewesen.
In jüngster Zeit habe sich die Sorge um die humanitäre Hilfe für die Binnenvertriebenen in Angst vor der näherrückenden Front verwandelt. „Die Lage hat sich verschlechtert. Jetzt sind auch wir gezwungen zu fliehen“, schrieb der Priester in einer Nachricht am Abend des 30. Oktober an „Kirche in Not“. Einen Tag später nahm die TPLF die Städte Kombolcha und Dessie ein, nachdem sie die Regierungstruppen immer weiter in die Defensive gedrängt hatte. „Meine Mitbrüder sind schon weg, jetzt bleibe ich allein hier. Ich muss sehen, ob ich morgen auch fliehen kann“, schrieb der Missionar. Viele Menschen seien getötet worden. Wie er „Kirche in Not“ am Allerheiligentag berichtete, konnte er kurz vor der Einnahme der Stadt entkommen: „Ich bin nicht mehr in Gefahr. Die Straßen hier sind voller Menschen“, schrieb er in seiner bislang letzten Nachricht.
Schon vor der Eskalation der Ereignisse habe eine Massenflucht aus der Region eingesetzt: „Wer Verwandte in Addis Abeba hatte, schickte Frauen und Kinder dorthin. Wir haben auch unsere Priesterseminaristen aus Kombolcha in die Hauptstadt evakuiert. Nur wir Priester sind zunächst geblieben, um bei den vielen Flüchtlingen zu sein – und um zu sehen, wie sich die Dinge entwickeln“, sagte der Missionar „Kirche in Not“.
Christliches Erbe bedroht
Die im Sommer aufkeimenden Friedenshoffnungen nach der Wiederwahl von Premierminister Abiy Ahmed seien enttäuscht worden: „Vor der Vereidigung waren überall in der Hauptstadt Schilder mit der Aufschrift ‚Neuanfang‘ zu sehen. Wir hofften, dass der Krieg zu Ende gehen würde. Stattdessen ist er uns immer nähergekommen.“
Auch das reiche christliche Erbe Äthiopiens wurde durch die Kämpfe bedroht: Die Städte Lalibela, bekannt für seine Felsenkirchen, und Axum, die ehemalige Hauptstadt und nach äthiopischer Überlieferung Aufbewahrungsort der Bundeslade, gerieten zwischen die Kampflinien. Die äthiopische Bevölkerung setzt sich je zur Hälfte aus Christen und Muslimen zusammen. Das Land ist von einer jahrtausendealten christlichen Tradition geprägt. Die meisten Christen gehören der äthiopisch-orthodoxen Tewahedo-Kirche an. Es gibt eine kleine, aber lebendige katholische Gemeinschaft, die sich in den lateinischen Ritus und den äthiopischen Geez-Ritus aufteilt.
KATHPRESS
Kirche in Not unterstützen
„Kirche in Not“ bittet um Spenden, die die Arbeit der Seelsorger für die notleidende Bevölkerung Äthiopiens unterstützt. Konto IBAN: AT71 2011 1827 6701 0600, Verwendungszweck „Äthiopien“, online: www.kircheinnot.at
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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