Slowakei
Das Kreuz im Herzen tragen
Papst Franziskus fordert bei seinem Slowakei-Besuch die Kleriker zu mehr Kreativität und alle Gläubigen zu Geschwisterlichkeit für eine christlich-solidarische Zukunft auf.
Ein Polizeihubschrauber kreist über dem Garten des Präsidentenpalais in Bratislava. Nach einigen Minuten dreht er langsam wieder ab – offenbar nichts Verdächtiges in Sicht. Der Rotorenlärm kündigt den nahenden Besuch eines besonderen Gastes an. Papst Franziskus hat sich bei seiner 34. Auslandsreise ins „Herz Europas“ begeben. Nach einer Kurzvisite in Budapest am Sonntag, 12. September, besuchte er bis Mittwoch, 15. September, die Slowakei.
Trotz Säkularisierung bekennt sich immer noch die Mehrheit der Slowaken zum katholischen Glauben. Franziskus nutzte seine erste Rede für einen Solidaritätsappell. Das Konjunkturpaket der EU und ein wirtschaftlicher Aufschwung reichten für einen Neuaufbau nach der Pandemie nicht aus. Nur durch „Geschwisterlichkeit“ lasse sich eine bessere, christlich-solidarische Zukunft gestalten, in der das Kreuz „im Herzen – und nicht nur um den Hals“ getragen werde, so der Papst.
„Diese Reise gibt mir Energie“
Außerdem ermunterte der 84-Jährige zu mehr Offenheit für Neues. Es nütze nichts, nur Vergangenes zu wiederholen. Stattdessen müsse man die „Ärmel hochkrempeln“, um gemeinsam die Zukunft zu gestalten. Überhaupt wirkt der Papst in Bratislava gelöst und gut gelaunt. Gegenüber der Präsidentin der Slowakei, Zuzana Caputova, die ihn gefragt hatte, ob er nach einem vollen Terminkalender nicht erschöpft sei, sagte Franziskus: „Ich fühle mich jung, diese Reise gibt mir Energie.“ In einer Ansprache vor Bischöfen, Priestern und Ordensleuten wählt er zwar auch kritische Worte. Als er aber die slowakischen Kleriker zu mehr Kreativität auffordert, sorgt er mit humorvollen Einschüben mehrmals für Lacher im Publikum.
Ebenso heiter verlief ein Zwischenstopp in einer von Mutter-Teresa-Schwestern geleiteten Sozialeinrichtung. Das „Zentrum Bethlehem“ im Hochhausviertel Petrzalka ist eine Auffangstation für Obdachlose, Kranke,
Behinderte. Als der Bischof von Rom im dunklen Skoda vorfährt, wird er von einer Fähnchen schwenkenden Menschenmenge und einem Kinderchor begrüßt.
Mahnung gegen Antisemitismus
Ein emotionaler Höhepunkt war die Andacht mit der jüdischen Gemeinde Bratislavas. Am Ort der zerstörten Synagoge auf dem Fischplatz (Rybne namestie) verurteilte der Papst „jede Form des Antisemitismus“. Das Gebetshaus aus dem 19. Jahrhundert überstand den Zweiten Weltkrieg, wurde dann aber in den 1960er Jahren von den herrschenden Kommunisten abgerissen. Inzwischen erinnert an der Stelle ein Mahnmal an die im Holocaust ermordeten slowakischen Juden.
Er schäme sich für all die „unbeschreiblichen Akte der Unmenschlichkeit“, sagte Franziskus vor der schwarzen Marmorwand, die symbolisch die Umrisse der früheren Synagoge spiegelt. Auf dem Fischplatz dürfe „dem Vergessen kein Platz“ gemacht werden. Nur dann sei es möglich, „die Wunden aus der Vergangenheit zu heilen“.
Auch wenn der Zulauf zu den Veranstaltungen anfangs, vor allem wegen der Corona-
Maßnahmen, eher verhalten schien, ist der Papst in der Slowakei willkommen. Der Religionsphilosoph Tomas Halik betonte: Entscheidend werde sein, inwieweit die Slowaken den Besuch „nicht als Show für die Medien, sondern als Impuls für spirituelle Erneuerung akzeptieren“.
Alexander Pitz/KATHPRESS
Kirche in der Slowakei
Von 5,5 Mio Einwohnern sind ca. 3/4 katholisch (69 % röm-kath, 4 % griech-kath). Im Kommunismus war die Unterdrückung der Kirche in der Tschechoslowakei besonders brutal. Zahlreiche Kleriker wurden inhaftiert und gefoltert.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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