Caritas
Dank und Dankbarkeit

Einen Salat und ein paar Schnitzel legt Roswitha dem jungen Mann noch ins Sackerl. Die Mutter ist gestorben, der Vater schwer krank. Der Älteste kümmert sich nun um seine vier Geschwister.
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  • Einen Salat und ein paar Schnitzel legt Roswitha dem jungen Mann noch ins Sackerl. Die Mutter ist gestorben, der Vater schwer krank. Der Älteste kümmert sich nun um seine vier Geschwister.
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Wo sich der Kreis von Zuviel und Zuwenig schließt. Landwirte, Ehrenamtliche und KlientInnen sind froh, dass es das Marienstüberl gibt.

In einer Überflussgesellschaft von Spenden leben – für viele Menschen auch in Graz ist das Alltag. Im Marienstüberl bekommen Bedürftige mittags eine warme Mahlzeit; armutsbetroffene Menschen, die sich selbst versorgen können, erhalten Lebensmittel für zu Hause. Ein Kreislauf von Zuviel und Zuwenig, Abwertung und Wertschätzung, Dank und Dankbarkeit.

Andreas Reiter und Ingrid Mach, Gemüsebauern aus Thondorf, spenden immer wieder Salat, Karotten und anderes aus der frischen Ernte für das Marienstüberl. Manchmal Überschüsse und Übriggebliebenes aus dem Hofladen, aber oft auch das, was optisch nicht die Vorstellungen der KundInnen trifft. Natürlich wäre wegwerfen oder liegenlassen auf dem Feld einfacher. „Das Gemüse ist ja beileibe nicht schlecht,“ betont Reiter. „Wenn ich es ans Marienstüberl gebe, wird es sorgsam gewaschen und verarbeitet und kommt Menschen zugute, die es brauchen und schätzen.“

Überschüsse einfach wieder unterzuhäckseln, ist für ihn keine Lösung: „Das hat auch mit Dankbarkeit und Achtung zu tun“, meint er: „Man gibt ein kleines Korn in die Erde, pflegt es über Monate, es wächst und reift – und man freut sich über die Ernte, gerade in einem schwierigen Jahr wie diesem. Es ist dann frustrierend, wenn die Karotte nicht verkäuflich ist, nur weil sie krumm wächst.“

Ehrenamtliche holen das Gemüse bei dem Landwirt aus Thondorf und auch weitere nicht verkaufte Ware von Supermärkten ab und bringen es in die Grazer Mariengasse. Dort in der Anlieferung nehmen ebenfalls Freiwillige wie Ulrike und Michaela die Spenden entgegen, sortieren sie und bereiten sie für die Ausgabe vor. „Man bekommt einen anderen Zugang zu Lebensmitteln, wenn man sieht, wie viel aussortiert wird und hier gute Dienste leistet“, sagt Michaela, die seit eineinhalb Jahren mithilft. „Es ist wirklich befriedigend, zu sehen, dass das Menschen bekommen, die es brauchen“, pflichtet ihr Ulrike bei, die mit Michaela in einem fixen Team arbeitet.

Wenige Meter weiter in der Ausgabe ist gerade ein junger Mann an der Reihe. „Wie geht’s dem Papa?“ fragt Roswitha und reicht ihm zwei Handvoll Gemüse. „Er ist der älteste von fünf Geschwistern, die Mutter ist verstorben, nun ist der Vater schwer krank.“ Joghurt und Obst, ein paar Schnitzel und Salat legt sie in die Taschen des Jugendlichen, am Ende bietet sie ihm noch Schokolade an. Sie und ihre Kollegin Karin kennen ihre KlientInnen, es wird getröstet, gescherzt und auch geteilt.

„Es ist wichtig, dass die Menschen diese Hilfe in Anspruch nehmen“, meint Karin. „Es tut gut zu sehen, dass essbare Lebensmittel dort hinkommen, wo sie benötigt werden. Und die Dankbarkeit ist groß.“ Auch bei
Frau S., einer Alleinerzieherin Mitte 30, die durch die Teuerung in eine schwierige finanzielle Situation geraten war. Sie konnte die Krise überwinden und blickt dankbar zurück: „Ich hätte nicht gewusst, wie ich durch die Tage hätte kommen sollen.“

Auch wenn wesentliche Schritte auf dem Weg von Freiwilligen ehrenamtlich geleistet werden, ist die Hilfe, die im Marienstüberl und in der Lebensmittelausgabe geschieht, in ihrer gesamten Dimension nur durch Spenden möglich: Sie ermöglichen das Betanken der Autos, das fachgerechte Lagern, Kochen und Zubereiten, das Aufrechterhalten der gesamten Infrastruktur sowie die weiterführende Hilfe und Beratung, die an beiden Stellen ansetzen.

IRMGARD RIEGER

Caritas-Erntedanksammlung
Spenden können Sie bei der Kirchen-Sammlung, mit dem beiliegenden Zahlschein oder online: IBAN 08 2081 5000 0169 1187, Erntedank 2023.

GEFRAGT

Dominik Wagner ist seit September 2023 Seelsorger der Caritas Steiermark.

Wofür sind Sie dankbar?
Ich bin dankbar für Menschen, mit denen ich liebevoll und wertschätzend verbunden sein darf. Ich mache fast jeden Abend einen Rückblick auf den Tag und spüre dann eine grundsätzliche Dankbarkeit dafür, den Fuß aus dem Bett setzen zu dürfen und gesund zu sein. Für die Schönheit und Vielfalt der Schöpfung, die Menschen, Tiere und Pflanzen, die uns umgeben. Und ich bin auch dankbar dafür, dass ich mich für etwas Gutes einsetzen darf.

Wofür sind andere Ihnen dankbar?
Ich denke, für jedes Mal, wenn es mir gelingt, ihnen zuzuhören und wirklich da zu sein, beim jeweiligen Du. Mir kommt vor, Aufmerksamkeit wurde angesichts so vieler Möglichkeiten der Lebensgestaltung zu einer besonders wertvollen Ressource.

Wann fällt es schwer, danke zu sagen?
Dann, wenn ich emotional in einer belastenden Lage bin und es nicht gelingt, die schönen, positiven Dinge zu sehen; dann kann es sein, dass die nötige Offenheit nicht da ist und sich Unzufriedenheit einstellt. Dann versuche ich mir in einem ersten Schritt klar zu machen: Dankbarkeit ist mehr als ein Gefühl und geht über den Moment des Empfindens hinaus. Manchmal ist es notwendig, sich so Dankbarkeit zu erarbeiten. Angefangen beim Geheimnis des Seins, dass Du bist und sein darfst. Das kann bis zu einem gewissen Maß gelingen.

Wann fällt es leicht?
Immer dann, wenn ich mich als Beschenkter erfahre und als Begnadeter verstehe: jemand lächelt mir zu, eine Essenseinladung, der kleine Neffe grüßt mich euphorisch. Und selber bewusst zu teilen, anderen eine Freude zu bereiten, einen Ausflug oder einen Abend zu planen – das sind echte Geheimtipps für alle, die mehr vom Leben spüren wollen. Da kann‘s ganz leicht sein.

Ist Geben seliger als Nehmen?
Im Lied „Großvater“ von STS heißt es:
„Des ganze Leben besteht aus Nehman und vül mehr Gebn“. Beides gehört zusammen wie Einatmen und Ausatmen. Das Leben ist ein Kreislauf von Geben und Nehmen, so wie das Blut bei jedem Herzschlag immer wieder neu gesammelt und ausgesandt wird. Das glückliche Leben erfüllt sich in unserer Seele, wenn man sich stärken und senden lässt. So ähnlich stellen sich manche christliche Theologen auch das Geheimnis der Dreifaltigkeit vor …

GEFRAGT

Frau S. ist eine ehemalige Klientin der Caritas-Lebensmittelausgabe.

Wofür sind Sie dankbar?
Am allermeisten dankbar bin ich für mein Kind und für jeden gemeinsamen Tag, an dem wir beide gesund sind. Ich bin auch sehr dankbar für die Hilfe in meiner großen Krise – ich wusste gar nicht mehr, wie das ist, ohne den Dauerdruck der Existenzsorgen zu leben. Dafür, dass ich diesen Druck, den ich auch körperlich spürte, loslassen durfte, dass ich wieder durchatmen kann. Und ich bin dankbar dafür, dass ich vertrauen kann; auch in
der Zeit, in der alles so schwer war, hatte ich ein ganz tiefes Vertrauen, dass es eine Möglichkeit für mich geben würde, weiterzugehen.

Wofür sind andere Ihnen dankbar?
Leute sagen mir oft, dass ich sie zum Lachen bringe. Und mein bester Freund sagt: Er ist dankbar für mein gutes Herz, weil ich das behalten habe, auch in der dunklen Zeit. Die achtjährige Tochter
schaltet sich ein: „Dass Du so lieb bist und immer so gut kochst.“

Wann fällt es schwer, danke zu sagen?
Da muss ich lange überlegen. Schwer fällt es vielleicht, wenn ich spüre, dass jemand, der mir einen Gefallen tut oder hilft, Hintergedanken hat oder Erwartungen, ohne das zu sagen.

Wann fällt es leicht?
Immer. Es ist meine Grundstimmung, mit einem Gefühl von Dank durchs Leben zu gehen, unabhängig davon, wie es mir gerade geht. Wir müssen akzeptieren, dass wir auf der Erde sind, nicht im Paradies. Aber auch wenn es Zeiten gibt, die wirklich schwierig sind, gibt es immer etwas, wofür ich dankbar sein kann, und wenn
es „nur“ ein Vogel ist, den ich singen höre.

Ist Geben seliger als Nehmen?
Das ist schwer zu beantworten. Geben zu können ist schön. Nehmen können ist auch wichtig. Manchmal hat man das Gefühl, dass man selbst nichts geben kann, aber das stimmt nicht. Man hat immer etwas zu geben – ein offenes Ohr oder ein Lächeln, einen Händedruck.
Auch wenn ich materiell nicht viel oder nichts übrig habe, kann ich Liebe geben oder Trost. Vielleicht ist aber auch gemeint, dass es um eine Einstellung geht – und ein freimütiges Geben, dass man mit Freuden gibt.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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