Caritas-Reise
Burundi: Meckern & Versöhnen
Caritas-Direktorin Nora Tödtling-Musenbichler berichtet von ihrer ersten Caritas-Reise nach Burundi.
Geht die weiße Farbe vielleicht ab? Vorsichtig berühren die Kleinen meine Hand. Nein, die „Mzungu“, die Menschen aus Europa, sind tatsächlich so hell … Fröhlich lachen die Kinder im Waisenheim in Burundis Hauptstadt Gitega uns Besucher an, tanzen und singen für die Gruppe aus Österreich. Schwester Godelive vom Orden „Neues Leben für die Versöhnung“ und ihre Mitschwestern begrüßen uns freudig, die Verbindung zwischen Burundi und der Steiermark ist eng und herzlich. Viele Jahre lang unterstützt die Caritas Steiermark bereits Projekte in dem wunderschönen Land im Osten Afrikas. Erstmals darf ich als Direktorin dort zu Gast sein.
Auf unserer Reise im Jänner erlebe ich gemeinsam mit meinem Mann, der Auslandshilfe-Leiterin Brigitte Kroutil-Krenn und Länderreferent Georg Gnigler, weshalb Burundi, das zu den kleinsten Staaten des Kontinents gehört, auch die „Schweiz Afrikas“ genannt wird: Wir reisen durch fruchtbare Landschaften, auf dem Hochplateau zeichnen die Eukalyptusbäume ein charakteristisches Bild, in den Ebenen prägen Akazien und Ölpalmen die Landschaft. Am gegenüberliegenden Ufer des gewaltigen Tanganjikasees sind die bewaldeten Berge der Demokratischen Republik Kongo zu erkennen, im Osten nähern wir uns der Grenze zu Tansania. Ein Bilderbuch-Afrika – wäre da nicht das Wissen um bitterste Armut und Hunger.
Nach der Unabhängigkeit 1962 kam Burundi nie dauerhaft zur Ruhe, innenpolitische Spannungen, geopolitische Interessen im Kalten Krieg, Misswirtschaft und Korruption behinderten die Entwicklung. Der Bürgerkrieg von 1993 bis 2003 brachte weitere Gewalt und Zerstörung. Als Folgen sehen wir ein enorm dicht besiedeltes Land, dessen Böden übernutzt werden, und eine zerrissene Gesellschaft, die zusätzlich damit kämpft, die rückkehrenden Flüchtlinge aufzufangen.
„Sich zu versöhnen bedeutet sich anders zu erinnern, sich so zu erinnern, dass alle eine Zukunft haben“ – dieser Satz vom emeritierten Erzbischof Simon wird mich von nun an begleiten.
Bilderbuch-Afrika und seine Kehrseiten
Was Begriffe wie Kindersterblichkeit und Hunger bedeuten, erleben wir auf beklemmende Weise im Ernährungszentrum in Gitega. Hierher kommen Frauen mit ihren Kindern, die für ihr Alter viel zu klein und zu dünn sind. Sie werden jede Woche untersucht, gewogen und erhalten speziell abgestimmte Ernährung. Apathisch liegen die Kinder in den Armen ihrer Mütter, schauen uns aus glanzlosen Augen an. Unübersehbar, wie wichtig die Hilfe der Caritas für diese Kinder und ihre Mütter ist.
Ein Ausbildungszentrum für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege der Diözese Gitega, dessen Bau wir mit Hilfe vom Land Tirol unterstützen, verfügt bereits über vier Hörsäle mit Labor und Sanitärräumen. Als nächstes ist ein Internat für 120 Schülerinnen mit Verwaltungsgebäude geplant, eine Krankenstation soll folgen. Sie sollen nicht nur helfen, die Gesundheitssituation zu verbessern, sondern auch jungen Menschen berufliche Perspektiven geben.
"Wir hören immer wieder, wie sehr die Verbundenheit mit unserer Diözese hilft, den Menschen Zukunft zu ermöglichen. Ich verspreche in tiefster Überzeugung und im Vertrauen auf die Treue unserer SpenderInnen, unser Möglichstes zu tun." Nora Tödtling-Musenbichler
Wie Ziegen in Burundi Frieden schaffen – ein Caritas-Projekt.
Amahoro: Das ist ein Friedensgruß, den ich in Burundi gelernt habe. Und ich habe auf beeindruckende Weise erlebt, dass Amahoro noch mehr sein kann, nämlich eine Haltung der Versöhnung. Seit seiner Unabhängigkeit 1962 hat das Land drei Wellen von Völkermorden zwischen den Volksgruppen erlebt, schreckliche Gewalttaten, die sich tief in das Gedächtnis der Menschen gegraben und ein gutes Miteinander schier undenkbar gemacht haben.
Ein Mittel, Verbindung zwischen den Volksgruppen zu schaffen und damit Versöhnungskultur zu verankern, hat vier Beine, Hörner und meckert: Ziegen helfen in Burundi, Frieden zu stiften. Viele Menschen bei uns kennen das Ziegenprojekt der Caritas-Aktion „Schenken mit Sinn“: Witwen, die sonst keine Lebensgrundlage mehr haben, erhalten eine Ziege, die sich rasch vermehren soll und deren Mist als Dünger wichtig ist. Dadurch können sie ihr Leben wieder selbstständig bestreiten.
Das besondere jedoch ist, dass das erste Neugeborene dieser Ziege nicht verkauft wird, sondern an eine andere Witwe der anderen Volksgruppe weitergegeben wird, zum Zeichen der Versöhnung. Die Übergabe wird gemeinsam gefeiert. Es war berührend zu sehen, wie Frauen, deren Volksgruppen noch immer nicht in Frieden miteinander leben können, sich plötzlich umarmen und einander den Frieden wünschen.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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