Bedrohtes Erbe
In Berg-Karabach droht die Vernichtung unschätzbarer christlicher Kulturgüter. Die Armenien-Expertin Jasmine Dum-Tragut warnt.
Die vielen Kirchen, Klöster, Kreuzsteine und weiteren christlichen Denkmäler und Stätten wie Friedhöfe, die nun an Aserbaidschan fallen, „dürfen nicht dem Erdboden gleichgemacht werden“, so Dum-Tragut. Hier sei die internationale Staatengemeinschaft gefordert. Ihre Befürchtungen kämen nicht von ungefähr, so die Armenologin. Sie verwies auf die aserbaidschanische Region Nachitschewan, in der in den vergangenen Jahren 250 Kirchen, Klöster und andere christliche Denkmäler völlig zerstört wurden. Die Befürchtungen seien groß, dass sich das nun in jenen Gebieten wiederholen könnte, die im jüngsten Krieg von Aserbaischan eingenommen wurden.
Die Salzburger Armenologin Jasmine Dum-Tragut äußerte sich bei einem Online-Vortrag, in dem sie die große Bedeutung der Region Berg-Karabach „für die armenische Kirche wie für das gesamte Christentum, ja die gesamte Welt“ verdeutlichte. In dem recht kleinen Gebiet von gut 11.000 Quadratkilometern befänden sich rund 4000 teils uralte Kirchen, Klöster und weitere christliche Stätten von unschätzbarem kulturellem wie spirituellem Wert. Die ältesten Kirchen und Klöster würden auf das 4. Jahrhundert zurückgehen.
Krieg beendet – Kirchen in Gefahr
Am 10. November wurde der Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Berg-Karabach, der am 27. September ausgebrochen war, durch eine Vereinbarung beendet. Demnach verliert Armenien die Kontrolle über so gut wie alle Gebiete, die Berg-Karabach umgeben. Auch rund die Hälfte von Berg-Karabach fällt an Aserbaidschan. Russische Friedenstruppen sollen die Umsetzung der Vereinbarung absichern.
In jenen Teilen, die für die Armenier verloren gehen, liegen so bedeutende Kirchen wie die Kathedrale von Schuschi oder das Dadiwank-Kloster, „Herzstücke des armenischen Christentums“, so Dum-Tragut. Bis zum 25. November musste Armenien etwa den Klosterkomplex von Dadiwank an Aserbaidschan übergeben. In den Tagen davor kamen noch unzählige Armenier in das Kloster, um noch einmal zu beten und Abschied zu nehmen. Auch einige Hochzeiten fanden noch statt. „Die Menschen sind verzweifelt und voller Angst“, berichtete Dum-Tragut. Niemand wisse, ob er jemals wieder zurückkehren könne und wie es jetzt weitergeht.
Der Schmerz sitzt tief
Zwar würden etwa das Kloster Dadiwank oder auch die Kathedrale von Schuschi laut Vereinbarung von russischen Soldaten bewacht und seien damit wohl die nächste Zeit sicher. Es gebe aber auch viele Kirchen und Klöster in abgelegenen Gebieten, „und die bewacht niemand“, äußerte Dum-Tragut schlimme Befürchtungen. Der Schmerz der Armenier sitze jedenfalls unglaublich tief.
Berg-Karabach ist seit dem 4. Jahrhundert christlich und war über Jahrhunderte ein eigenständiges armenisches Katholikosat. Das Christentum überstand vielfache Eroberungen und Fremdherrschaften und zuletzt auch die Sowjetherrschaft. In jüngster Vergangenheit war Berg-Karabach eine eigenständige Diözese, die zum armenischen Katholikosat von Etschmiadzin gehört. KATHPRESS
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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