Stichwort: Christkönig
Der königliche Mensch
Das Christkönigsfest wird am letzten Sonntag des Kirchenjahres gefeiert.
Es stellt uns vor Augen, was für einen König unsere Welt braucht.
Ist es nicht ein Anachronismus, in Zeiten wie den unsrigen Christus als König zu verehren? Königshäuser treten – wo es noch welche gibt – eher als Folklore und Repräsentation, sehr oft als Zielobjekte der Regenbogenpresse in Erscheinung, aber nicht als staatstragende, Macht ausübende, die Gesellschaft gestaltende Instanzen. Sie fallen eher durch Peinlichkeiten, Skandale und Affären auf als durch königlich würdevolles Verhalten. Sie dienen als Projektionsfläche für Ewiggestrige, nicht als Role-Models einer neuen Weltordnung.
Es gibt aber auch den Archetyp des Königs, wie er uns etwa in Märchen begegnet. Das ist der König, nach dem wir uns in der Tiefe unserer Seele sehnen. Er verkörpert höchst tugendhafte Charakterzüge wie Güte, Weisheit, Gerechtigkeitssinn und Edelmut. Er trägt die ihm in die Hände gelegte Machtfülle mit Würde und Uneigennützigkeit. Er betrachtet sich als Diener und Integrationsfigur seines Volkes, er sorgt für Frieden, Sicherheit und Wohlstand in seinem Land. Er ist ein Gegenentwurf zu dem, was wir real erleben.
Das Christkönigsfest wurde in der katholischen Kirche anno 1925 – aus Anlass des damaligen Heiligen Jahres – eingeführt. Nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs, die gleich mehrere Monarchien von der Landkarte gespült hatte, wollte die Kirche der Welt Christus als den wahren König vor Augen stellen. Die Katholische Jugend griff in der Zeit des aufflammenden Nationalsozialismus und nach dem Zweiten Weltkrieg die Christkönigs-Verehrung auf, um dem Führerkult einen Kontrapunkt entgegenzusetzen. Bei der Liturgiereform 1970 wurde der letzte Sonntag des Kirchenjahres als Termin für das Christkönigsfest festgelegt, womit der Blick auf den am Ende der Tage als König wiederkommenden Christus in den Fokus rückte.
Schutzschild gegen totalitäre Regime
Wie aber können wir den sozialpolitischen Impuls des Christkönigsfestes in die gegenwärtige Zeit übersetzen? Wir erleben heute dramatisch, wie fragil unsere demokratischen Konstruktionen sind, die sich anstelle der Monarchien etabliert haben. Vielerorts poppen autokratische Herrscher auf und heben Grundwerte der Demokratie aus den Angeln. Die Instrumente der Überwachung und Kontrolle erlauben einen Zugriff auf den Menschen, bei dem auch intimste Privatsphären nicht verschont bleiben. Die Überforderung angesichts der Unübersichtlichkeit der Welt lässt den Ruf nach einem starken Führer lauter werden, der dem Bild jenes archetypischen Königs entspricht. Doch meist entpuppen sich diese, sobald sie an der Macht sind, als Wölfe im Schafspelz. Ihre edlen Absichten und hochherzigen Versprechen versinken im Morast der Korruption oder schmelzen im Glanz ihrer Selbstbespiegelung.
Diesen totalitären Tendenzen hält der Christkönigssonntag die wichtige Botschaft entgegen: Keine irdische Macht hat das Recht auf den totalen Zugriff auf den Menschen. Die Position des Königs steht allein Jesus Christus zu, dem Regenten des Reiches Gottes, das nicht von dieser Welt ist und anderen Gesetzmäßigkeiten folgt. Jesus ist der wahrhaft königliche Mensch, in ihm leuchtet die Würde auf, die jedem Menschen innewohnt. Und er begegnet jedem so, dass er seine innere Königswürde entdecken und in Freiheit entfalten kann.
Gefesselte Hände, aber der Wille ist frei
Ein schönes Beispiel für einen Menschen, der in diesem Bewusstsein gelebt hat, ist der 2007 seliggesprochene Franz Jägerstätter. In seiner Gefängniszelle in Berlin, wo er im August 1943 auf die Vollstreckung des Todesurteils wegen „Zersetzung der Wehrkraft“ wartete, vermerkte er in seinen Aufzeichnungen: „Wenn ich sie auch mit gefesselten Händen schreibe, aber immer noch besser, als wenn der Wille gefesselt wäre.“ Er fühlte sich in dieser Zeit tief verbunden mit dem leidenden Jesus.
Auch dieser wird Pontius Pilatus als Gefangener vorgeführt. Dennoch ist sein Geist frei, um Zeugnis für die Wahrheit zu geben. Er bleibt selbst der König über sein innerstes Heiligtum, über seine Gedanken und sein Gewissen. Keine Macht der Welt kann ihn davon abhalten, auch unbequeme Wahrheiten auszusprechen und die Dinge beim Namen zu nennen.
Pilatus ist mächtig, doch er agiert fremdbestimmt und wie ein Getriebener. Jesus ist ganz und gar ohnmächtig, doch er spricht und handelt in völliger Souveränität. Henri Nouwen sagt über ihn: „Jesus ist der freieste Mensch, der je gelebt hat, weil er am intensivsten mit Gott verbunden war.“ Bei ihm ist Pilatus mit seinem Latein am Ende. Dessen Verhalten hat nichts Königliches.
Das Königtum Jesu befreit den Menschen. Wenn wir es allein Christus erlauben, unser König zu sein, werden wir jedem Menschen die Würde eines Königs zugestehen und bleiben resistent gegenüber totalitären Systemen.
Alfred Jokesch
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.