See Gennesaret
Pilgerstätte oder Badesee?
Pilger und Massentouristen lockt der See Gennesaret an. Ein neuer Plan soll widerstreitende Interessen in Einklang bringen.
Wer ins Land Jesu fährt, hält sich meist gerne an den Stätten am See Gennesaret auf. Hier fühlen sich viele Jesus besonders nahe. Aber Besinnung und Ruhe der Pilgernden sind gefährdet, wenn die Freizeitindustrie auch von dieser Region immer mehr Besitz ergreift.
An den schönsten Stränden und den abgelegensten Uferstellen waren in den vergangenen Jahrzehnten Imbissbuden, Campingplätze, Vergnügungsparks oder Bootsverleihe wie Pilze aus dem Boden geschossen – teils illegal, teils wurden Pachtverträge von Geschäftsleuten mit „guten Verbindungen“ zweckentfremdet. Manche Missstände wurden bereits von den Behörden abgestellt.
Mit einem neuen Plan versucht die israelische Regierung jetzt, Natur, historische Kultur, religiöse Stätten und den einheimischen Tourismus in Einklang zu bringen. Dieser Plan soll laut israelischen Medien den internationalen Pilgertourismus an den Ursprungsstätten des Christentums pflegen. Zugleich soll er den eigenen Bürgern des dichtbesiedelten Landes Unterhaltung und Erholung auf hohem Niveau bieten. Das alles soll Natur und Umwelt schonen, nachhaltig sein und die Lärmbelästigung durch Clubs und Motorscooter in Grenzen halten. Außerdem darf die Wasserqualität im größten Trinkwasserreservoir des Landes nicht durch Strandbäder oder Schiffsverkehr beeinträchtigt werden.
Nach dem Konzept sind 45 Prozent der 53 Kilometer langen Küstenlinie als Naturschutzgebiet deklariert. Dazu gehören die ganze Nordküste mit den christlichen Stätten von Kapernaum und Tabgha bis Bethsaida – wo laut biblischer Überlieferung Christus lebte, Wunder wirkte, die Bergpredigt hielt und in den Seligpreisungen die Ideale von Frieden, Versöhnung und Nächstenliebe propagierte.
Weitere 40 Prozent des Seeufers, vor allem nördlich und südlich der Stadt Tiberias, sollen der Freizeit und Erholung dienen, also mit frei zugänglichen Strandbädern und Campingplätzen. 9 Prozent (5 Kilometer) sind als „ländliche Küste“, auch mit Kibbuzim, ausgewiesen. Die restlichen vier Kilometer bilden die „städtische Küste“ von Tiberias.
Der Plan legt fest, dass 90 Prozent der Seeufer erhalten bleiben müssen. Der Bau von zwei bereits genehmigten Feriendörfern am Nordufer wurde eingestellt. Zudem wird verboten, weitere Teile des Strandes zu bebauen oder als Bauland auszuweisen. Der Autoverkehr rund um den See soll entlastet werden.
Kirchen und Pilgerorganisatoren hoffen auf eine Verbesserung der Lage. „Wir studieren den Plan genau, weil wir durch einige Entwicklungen in letzter Zeit tatsächlich Gefahren für den Charakter des Nordwestufers sehen“, sagte Georg Röwekamp, Chef des Jerusalem-Büros vom „Deutschen Verein vom Heiligen Lande“. Der Plan scheine ausdrücklich das „evangelische Dreieck“ zwischen Tabgha, Bethsaida und Chorazin „in seinem speziellen Charakter zu respektieren, worüber wir sehr froh sind!“, hob Röwekamp hervor, dessen Verein die Stätten von Tabgha und ein Pilgerhaus unterhält.
Johannes Schidelko
AUS DER BIBEL
Mit Jesus und seinen Jüngern am See
Es geschah aber: Als die Volksmenge Jesus bedrängte und das Wort Gottes hören wollte, da stand er am See Gennesaret und sah zwei Boote am See liegen. Die Fischer waren aus ihnen ausgestiegen und wuschen ihre Netze. Jesus stieg in eines der Boote, das dem Simon gehörte, und bat ihn, ein Stück weit vom Land wegzufahren. Dann setzte er sich und lehrte das Volk vom Boot aus.
Als er seine Rede beendet hatte, sagte er zu Simon: Fahr hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus! Simon antwortete ihm: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen. Doch auf dein Wort hin will ich die Netze auswerfen.
Das taten sie, und sie fingen eine große Menge Fische, ihre Netze aber drohten zu reißen. Und sie gaben ihren Gefährten im anderen Boot ein Zeichen, sie sollten kommen und ihnen helfen. Sie kamen und füllten beide Boote, sodass sie fast versanken.
Als Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sagte: Geh weg von mir; denn ich bin ein sündiger Mensch, Herr! Da sagte Jesus zu Simon: Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen.Und sie zogen die Boote an Land, verließen alles und folgten ihm nach.
(Lk 5, 1–8.10b–11)
Als Jesus und seine Jünger nach Kafarnaum kamen, traten jene, welche die Doppeldrachme (als Tempelsteuer) einzogen, zu Petrus und fragten: Zahlt euer Meister die Doppeldrachme nicht? Petrus antwortete: Doch! ... Später sagte Jesus zu Petrus: Geh an den See, wirf die Angel aus, und den ersten Fisch, den du heraufholst, nimm, öffne ihm das Maul, und du wirst ein Vierdrachmenstück finden. Das gib ihnen als Steuer für mich und für dich.
(vgl. Mt 17,24–27)
Karl-Heinz Fleckenstein erklärt dazu: Der „Petrusfisch“, eine Barschart, die heute noch im See vorkommt, hält seine Eier so lange im Maul, bis die Jungen ausgeschlüpft sind. Um sich ihrer dann zu entledigen, nimmt er einen kleinen Kieselstein ins Maul und vertreibt sie. So fand wohl der „Fisch des Petrus“ statt eines Kieselsteins im See ein Vierdrachmenstück.
Sturm und Stille: Auf Jesu Spuren
Der See unter dem Meeresspiegel, wo Jesus lehrte und wirkte.
Ganz still liegt er da, der See von Tiberias, auch galiläisches Meer oder einfach See Gennesaret wird er genannt. Auf hebräisch heißt er Jam Kinneret, Harfenmeer. Denn von oben, von den Bergen aus gesehen, gleicht sein Umriss einer Harfe. Gespeist vom Jordan, der aus dem Norden kommt, und einigen kleinen Süßwasserquellen, ist er das größte Wasserreservoir des Landes. Fischer leben seit Urzeiten am See, und sein Fischreichtum ist legendär. Der See ist 21 Kilometer lang und 12 Kilometer breit und bedeckt die Fläche von 170 Quadratkilometern. Er liegt 210 Meter unter dem Meeresspiegel und ist bis zu 46 Meter tief. Er bildet das größte Süßwasserreservoir in Israel und ist für das gesamte Heilige Land überlebenswichtig.
Auf Schritt und Tritt finden wir hier die Spuren von Jesus. Nicht nur die bekannten Orte am Ufer, nicht nur der Berg der Seligpreisungen, wo Jesus seine berühmte Rede hielt, nein, auch in kleinen Einzelheiten sind hier seine Spuren zu entdecken.
Da sind die Quellen, in denen Fischer wie das Brüderpaar Johannes und Jakobus ihre Netze reinigten. Da sind die Disteln und Dornen und auch die Lilien auf dem Feld. Da sind die Tage, an denen der See wie ein blanker Spiegel daliegt. Und die Tage, an denen die Fallwinde von den Hügen am Ostufer einen unerwarteten Sturm entfesseln. Der See atmet die Atmosphäre von Jesus.
Und immer wieder gibt es spannende neue Entdeckungen. Eine davon konnte ich mit eigenen Augen sehen. das Boot. Die Leute vom See Gennesaret nennen es einfach: das Jesus-Boot.
Im Winter 1986 sahen zwei junge Männer vom Kibbuz Nof Ginosar im Schlamm die Umrisse eines Bootes. Experten untersuchten den Fund. Intensive Rettungsmaßnahmen mit vielen Freiwilligen aus dem Kibbuz selbst und aus dem ganzen Land halfen mit bei der schwierigen Bergung des antiken Bootes. Es ist acht Meter lang, 2,30 Meter breit und 1,20 Meter in der Tiefe. Neben dem Eichenrahmen und den Zedernplanken finden sich viele andere Holzarten.
Das Boot wurde wahrscheinlich zum Fischfang verwendet und konnte bis zu 15 Personen transportieren. Die Radiokarbondatierung ergab ein Datum zwischen 100 vor und 70 nach Christus. So sahen also die Boote aus, die die Fischer zur Zeit Jesu benutzten. In einem solchen Boot erlebte Petrus den wunderbaren Fischfang. In solch einem Boot überquerte Jesus mit seinen Jüngern den See, als der Sturm sich erhob.
Aus: Roland Werner, Du weißt, dass ich dich lieb habe, Francke Verlag
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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