Ökumene in Person
Grigorios Larentzakis, der vor kurzem seinen 80. Geburtstag feierte, im SONNTAGSBLATT-Gespräch über prägende Lebensentscheidungen, konfessionelle Streitigkeiten und klare Positionen.
Wie kam es, dass Sie Griechenland verlassen haben, und warum fiel Ihre Wahl gerade auf Österreich?
Weggegangen bin ich 1965 mit der Absicht, über meine eigenen vier Wände hinauszukommen und mehr über die sogenannten „Anderen“ zu erfahren, als man aus Büchern lernen kann. Österreich ist es geworden, weil die Österreichische Bischofskonferenz ein Stipendium ausgeschrieben hatte. Mein Entschluss war ein Wagnis. Ich habe kein Wort Deutsch gesprochen, und diese Sprache zu lernen war auch wegen der Dialekte nicht einfach. Inzwischen habe ich zwei Zuhause: eines in Graz und eines auf Kreta.
Aus einem Studienaufenthalt wurde eine Lebensentscheidung?
Es war aber nie geplant, dass ich in Österreich bleibe. Ich hatte bereits einen Betreuer für meine Dissertation in Athen. Aber es ergab sich, dass ich den Innsbrucker Dekan fragte, ob ich in katholischer Theologie promovieren könnte. Seine erste Antwort war: Ich weiß es nicht. Aber er erkundigte sich. Mein orthodoxes Studium wurde mit Ergänzungsprüfungen anerkannt, und ich konnte das katholische Doktorat beginnen. In Griechenland waren viele überrascht über meinen Schritt und meinten, dass ich mit einem katholischen Doktorat damals doch nichts anfangen könne. Die Entscheidung war spontan, aber ich habe sie nie bereut.
Wie war das Studium der katholischen Theologie für Sie als orthodoxer Theologe?
Natürlich war es nicht immer einfach. Ich saß auch in Vorlesungen, wo ich mir anhören musste, dass, wer sich dem Bischof von Rom, also dem Papst, nicht unterwirft, nicht innerhalb der Kirche Christi ist – also außerhalb des Heils. Das war schwierig. Wobei ich inzwischen vorsichtig sagen kann, dass diese „Unterwerfungsökumene“ schon fast gänzlich vorbei ist – Dank sei Gott!
Profitiert habe ich von meinen Professoren in Konstantinopel (Chalki), von denen viele in der Ökumene tätig waren, regelmäßig zu Treffen fuhren und uns Studierenden von Beschlüssen und Diskussionen aus erster Hand berichteten. Das war goldrichtig. So habe ich es auch in Graz gehandhabt. Daher rührt wohl mein Ruf als „Reiseprofessor“. Damit konnte ich bei vielen Studierenden ökumenisches Interesse wecken. Einige sind bis heute in der Ökumene engagiert, was mich sehr freut!
Was war Ihr Anliegen, wenn Sie als orthodoxer Theologe an katholischen und evangelischen Fakultäten gelehrt haben?
Mir war es immer wichtig, unsere gemeinsamen Wurzeln, unser verbindendes Fundament deutlich zu machen. Wir haben Schätze und zeitlose Prinzipien, die uns einen. Zum Beispiel wenn man die Kirchenväter liest, auf die sich alle Christen stützen: Die sprachen von der Katholizität des Heiles und der Auferstehung des ganzen Menschengeschlechts. Und wir mit unseren konfessionellen Streitigkeiten? Wie weit sind wir gekommen, die Gnade Gottes so einzuschränken und zu postulieren, dass es außerhalb konfessioneller Grenzen keine Heilsmöglichkeit gäbe. Das ist eine Katastrophe! Besonders wenn man bedenkt, dass zwischen unseren Kirchen gar kein Schisma (Spaltung) stattgefunden hat – weder 1054 noch an einem anderen Datum. Da stimmt mir auch Kardinal Koch zu, wenn er betont dass man deshalb nicht von einer Spaltung, sondern einer zunehmenden Entfremdung sprechen sollte.
Was empfehlen Sie in Sachen Ökumene?
Es besteht absolute Informationsnot! Das Wissen über unser gemeinsames christliches Fundament fehlt. Wenn ich zum Beispiel gefragt werde „Können Orthodoxe und Katholiken miteinander beten?“, dann frage ich mich: Warum ist das überhaupt eine Frage? Die Aufgaben sind klar: Es braucht objektive Information und gelebte Ökumene in pastoraler Praxis.
Wenn Sie zurückblicken: Was ist Ihnen wichtig zu sagen?
Ich bin dankbar. Für meine Familie und besonders meine Frau – wir haben heuer im Juli unser Goldenes Ehejubiläum –, sie hat so geduldig vieles mitgetragen. Und ich denke in Dankbarkeit an Weggefährten und Mitstreiter in der Ökumene – besonders an Philipp Harnoncourt – wir wurden wohl nicht umsonst die „ökumenischen Zwillinge“ genannt. Ich habe erfahren dürfen, was möglich wird, wenn man sich zusammentut.
Wie sehen Sie den Krieg in der Ukraine aus orthodoxer Perspektive?
Die Haltung von Patriarch Kyrill zu diesem Krieg ist nicht nur abzulehnen, sondern zu verurteilen. Krieg ist immer eine Katastrophe. Wichtig ist es in diesen Tagen, darauf zu achten, wie sich die restliche christliche Welt verhält. Es ist notwendig, die Ökumene weiter fortzusetzen. Und dass der Vatikan seine klare Position gegen den Krieg beibehält. Man muss Haltungen verurteilen, die einen Krieg für richtig oder sogar heilig erklären.
Katharina Grager
Zur Person
Univ.-Prof. DDr. Dr. h.c. Grigorios Larentzakis, geb. 1942 in Chania (Kreta). 1969 Promotion zum Doktor der kath. Theologie als erster nicht-kath. Theologe in Österreich. Später orthodoxes Doktorat in Thessaloniki. Seit 1970 Lehrender an der Kath.-Theol. Fakultät Graz. Ab 1990 mit eigener Abteilung für Ostkirchliche Orthodoxie.
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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