Glaube
Nicht Teflon, sondern Schwamm
In der Taufe am Jordan taucht Jesus ganz tief ein in unser Menschsein und löst die Verunreinigungen und Eintrübungen durch die Sünde von innen her auf.
Die Frage drängt sich auf: Warum reiht sich Jesus, wenn er doch ohne Sünde ist, in die Schar der Büßer ein, die sich am Jordanufer bei Johannes zur Taufe anstellen? Das Eintauchen in das erfrischende Wasser ist ein Zeichen der Reinigung. Der Täufer benützt es, um die Entscheidung zur Umkehr, zur Befreiung vom Ballast der Schuld, zur Lösung von Verkrustungen und zu einer Neuausrichtung des Lebens ganz unmittelbar und sinnlich erlebbar zu machen.
Der „alte Mensch“ – wie es der Apostel Paulus nennt – soll in der Taufe untergehen und der „neue Mensch“, gereinigt, erleichtert und belebt, steigt aus dem Wasser. Aber verkörpert Jesus nicht von Anfang an diesen neuen Menschen? Vollzieht auch er hier an der Schwelle zu seinem öffentlichen Wirken einen Akt der Bekehrung?
Auch Johannes selbst macht offenbar diese Vorstellung zu schaffen. Im Matthäusevangelium heißt es, er „wollte es nicht zulassen und sagte zu ihm: Ich müsste von dir getauft werden und du kommst zu mir?“ (Mt 3,14) Er kennt Jesus gut, es scheint ihm klar gewesen zu sein, wen er hier vor sich stehen hat. Jesus muss ihm erst zureden und ermutigt Johannes, das Unbegreifliche einfach geschehen zu lassen – mit der Begründung: „Denn so können wir die Gerechtigkeit ganz erfüllen.“ (Mt 3,15) Es geht ihm um eine größere Gerechtigkeit als sie Johannes im Blick hat, indem er Unrecht anprangert und die Menschen zur Einebnung sozialer Ungleichheiten auffordert. Gottes Gerechtigkeit kommt zum Vorschein, wenn jeder Mensch im Glanz seiner Würde als geliebtes Kind Gottes betrachtet wird. Wo das geschieht, da steht der Himmel offen.
Trübes Wasser wird klar und rein
Eine mögliche Antwort auf die Frage, warum Jesus sich taufen lässt, ist mir einmal bei Exerzitien geschenkt worden, während ich die entsprechende Bibelstelle betrachtet habe. Ich habe die vielen Menschen beobachtet, die mit der Last ihrer Schuld in den Fluss gestiegen sind. Während Johannes die Sünde von ihnen abgewaschen hat, ist das Wasser immer trüber geworden und hat all den Schmutz, von dem sie gereinigt wurden, aufgenommen. Allmählich verwandelte sich jene Stelle des Jordan in eine dunkle, undurchsichtige Brühe. Als ich selbst an der Reihe war, kostete es mich einige Überwindung, in das ekelige Schmutzwasser hineinzusteigen.
Schließlich kam Jesus dran und ich beobachtete gespannt, mit welchem Gesichtsausdruck und welcher Körperhaltung er in diese unappetitliche Flüssigkeit eintauchen würde. Zu meiner Verwunderung tat er es ganz ohne Widerwillen, mit einem freundlichen, liebevollen Blick. Und als er ganz untergetaucht war, kam plötzlich das Wasser in Bewegung. Der Schmutz strömte von allen Seiten auf Jesus zu und er saugte förmlich die ganze Verunreinigung in sich auf wie ein Schwamm, bis das Wasser wieder klar und rein war. Dann stieg Jesus heraus und es öffnete sich über ihm der Himmel, er wurde in der Gewissheit bestärkt, Gottes geliebter Sohn zu sein.
Integration statt Separation
Seither ist es für mich klar: Jesus kommt zur Taufe, weil er sich voll und ganz mit uns Menschen identifiziert. Er taucht tief ein in unser Menschsein, mit all den Abgründen, Verirrungen und Entgleisungen, die uns zu schaffen machen. Er taucht ein in die Welt, die von unserem schuldhaften Verhalten getrübt ist, in der wir den Durchblick und die Orientierung verloren haben.
Das Menschsein Jesu ist keine abgehobene Existenz, von der die Unzulänglichkeiten, das Versagen und die sündhaften Neigungen des Menschen abperlen wie von einer Teflonpfanne. Er lässt sich von all dem benetzen, lässt es in sich eindringen und infiziert sich damit. Dies ist möglich, weil er sich gehalten weiß von der Liebe Gottes, weil er vom Geist Gottes erfüllt ist und sein Vertrauen in die Kraft des Guten die Angst vor der Berührung mit dem Bösen weitaus überwiegt.
Jesus zeigt einen ganz neuen Umgang mit der Wirklichkeit der Sünde. Während Johannes versucht, sie gleichsam mit einem Hochdruckreiniger wegzuspülen, das Böse zu separieren und die Spreu vom Weizen zu trennen, besteht der Weg Jesu darin, in die Untiefen der menschlichen Seele einzutauchen, um das Abgespaltene zu integrieren, die Schuld mit der Liebe Gottes in Berührung zu bringen und sie wie ein Tiefenreiniger aufzulösen. Auf diese Weise kann das, was in uns dunkel und eingetrübt ist, hell und kristallklar werden.
In der Taufe Jesu offenbart sich die Solidarität des Gottessohnes mit uns Menschen. Und es wird sichtbar, was den „neuen Menschen“ auszeichnet, der bei Gott Wohlgefallen findet und dem es gelingt, aus dem Sumpf von Schuld und Sünde, in dem die Menschheit zu versinken droht, herauszusteigen.
Alfred Jokesch
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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